RWE und VEW bilden neuen Stromgiganten

Die Aufsichtsräte beider Konzerne haben gestern die Fusion beschlossen und planen damit Deutschlands größten Energiekonzern. Zugleich ist die Energie Baden-Württemberg damit tabu  ■   Von Bernward Janzing

Berlin (taz) – Die Aufsichtsräte der beiden Energiekonzerne RWE (Essen) und VEW (Dortmund) haben gestern getagt und beschlossen, die Fusion der Unternehmen auf den Weg zu bringen. Damit würden sie den größten Stromkonzern Deutschlands bilden.

Um eine Übernahme des kleineren Partners VEW, die bei diesem auf Ablehnung stieße, zu vermeiden, soll die Fusion per Aktientausch geschehen: RWE wird entsprechend der Relation der Unternehmenswerte für voraussichtlich jeweils vier VEW-Aktien eine eigene Aktie abgeben. Dieses Verhältnis ergibt sich in etwa aus der Börsenkapitalisation, also dem Verhältnis der beiden Aktienkurse und der Anzahl der existierenden Anteilsscheine. So hat RWE derzeit einen Börsenwert von etwa 21 Milliarden Euro, während die VEW auf 6,5 Milliarden kommt. Die präzisen Wertverhältnisse der Unternehmen werden erst noch von Gutachtern zu ermitteln sein.

Bis Sommer nächsten Jahres sollen die Konzerne zusammengeführt werden. Notwendig dafür ist auch noch die Zustimmung der beiden Hauptversammlungen, die aber trotz der Hürde einer Zwei-Drittel-Mehrheit als sicher gilt.

Wie viele Arbeitsplätze im Rahmen der Fusion abgebaut werden, ist noch nicht bekannt. Der RWE-Konzern beschäftigt derzeit etwa 155.000 Mitarbeiter, der VEW-Konzern hat rund 15.000 Beschäftigte. Die Jahresumsätze der beiden künftigen Partner lagen zuletzt bei 75 beziehungsweise 10 Milliarden Mark.

Der RWE/VEW-Konzern soll mit einer Jahresproduktion von mehr als 200 Milliarden Kilowattstunden den künftig fusionierten Mitbewerber Viag (Bayernwerk)/Veba (PreussenElektra), der auf 137 Milliarden Kilowattstunden kommt, übertreffen. RWE/VEW wird dann Deutschlands größter Stromproduzent sein. Der Konzernsitz wird am Standort des RWE in Essen belassen.

Im liberalisierten europäischen Energiemarkt, der ein Gesamtvolumen von jährlich 1000 Milliarden Mark umfasst, streben die beiden fusionierten Konzerne bis zum Jahr 2010 einen Marktanteil von 10 bis 15 Prozent an. Der größte Mitbewerber ist die Electricité de France (EdF) mit 460 Milliarden Kilowattstunden Jahresproduktion, gefolgt vom italienischen Staatskonzern ENEL mit 237 Milliarden. Fünf Milliarden Mark will der neue deutsche Energieriese in Zukunft jährlich investieren. Der Markt sei künftig „nicht länger Deutschland, sondern eindeutig Eurpa“, hieß es.

Da die kompletten Konzerne RWE und VEW fusionieren wollen, wird der neue Konzern ein bunter Branchenmix sein, der weit mehr umfasst als nur die Stromwirtschaft. RWE bringt unter anderem die Mineralölgesellschaft DEA, das Bauunternehmen Hochtief und Entsorgungsunternehmen ein. VEW verfügt ebenfalls über einen Entsorger (Edelhoff), sowie über eine Mischgesellschaft, die Harpen AG, die zum Beispiel in der Immobilienentwicklung, Transportlogistik und Abwasserentsorgung tätig ist.

Die Börse reagierte auf die gestrigen Meldungen uneinheitlich. Vor der am späten Nachmittag veröffentlichten Unternehmenserklärung bewegten sich die Kurse von RWE und VEW an der Börse in unterschiedliche Richtungen: RWE gewann bis Mittag 1,2 Prozent, VEW verlor 1,7 Prozent. Die Mitbewerber Viag und Veba gaben jeweils um 0,2 Prozent nach.

Eine Fusion von RWE und VEW wird auch Einfluss auf die Entwicklung der Energie Baden-Württemberg (EnBW) haben. Denn das Land Baden-Württemberg will seine Anteile von gut 25 Prozent noch in diesem Jahr verkaufen, und sowohl RWE als auch VEW treten im momentanen Ausschreibungsverfahren separat als Bieter auf. Beide kommen aber nach einer Fusion aus kartellrechtlichen Gründen voraussichtlich nicht mehr in Frage. Somit wird nach der RWE/VEW-Fusion der Einstieg der Electricité de France (EdF) bei der EnBW sehr wahrscheinlich.