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PDS schießt jetzt auch juristisch gegen die Nato zurück

■ In einer Klageschrift an das Bundesverfassungsgericht fordert die PDS-Fraktion die Zustimmung des Bundestages zu der in Washington beschlossenen neuen Nato-Strategie. Auch hier in den Fußstapfen der SPD?

Berlin (taz) – Nach heftigem politischem Bombardement während des Kosovo-Krieges ist die Außenpolitik der rot-grünen Koalition jetzt auch unter juristischen Beschuss der PDS geraten.

Gestern stellten die Rechtsberater der PDS-Fraktion die Umrisse einer Klageschrift an das Bundesverfassungsgericht vor. Angegriffen wird in ihr, dass die Bundesregierung das im April in Washington unterzeichnete neue „Strategische Konzept der Nato“ nicht durch ein Bundesgesetz hat ratifizieren lassen. Dadurch sei das Parlament in einem wichtigen Recht verletzt, seien Gewaltenteilung und Volkssouveränität missachtet worden.

Die PDS sieht das neue „Strategische Konzept“ nicht als bloße Anpassung des Nato-Vertrags an eine veränderte Wirklichkeit. Durch die Möglichkeiten eines Nato-Einsatzes zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus, zur Sicherung des Ressourcenzugangs und zur Verhinderung der Weitergabe von Atomwaffen hätte der Nato-Vertrag von 1948 einen völlig neuen Inhalt bekommen. Anstelle der Verteidigung von Territorien, so heißt es in der Klageschrift, sei die Verteidigung von Interessen getreten. Ein Mandat des Weltsicherheitsrats zur militärischen Gewaltanwendung wird nicht mehr als zwingend erachtet, was gegen die strikte Eingrenzung zulässiger Militäraktionen durch das UNO-Statut verstoße.

Die PDS-Sprecher sehen sich mit ihrer juristischen Kampfansage in bester sozialdemokratischer Tradition. Schließlich war es die SPD gewesen, die anlässlich der Adria-Einsätze von Awacs-Flugzeugen und der deutschen Mitwirkung bei der Somalia-Intervention für die gesetzliche Absegnung beider Aktionen gestritten habe. Die Beteiligung an diesen beiden Aktionen hatten den im Nato-Statut ausgesprochen strikten Verteidigungsauftrag widersprochen.

Damals, so die PDS, hätte die Bundesrepublik noch im Rahmen eines Mandats durch den UNO-Sicherheitsrat gehandelt. Das Bundesverfassungsgericht hatte 1994 mit 4 zu 4 stimmgleich votiert und damit die SPD-Klage abgeschmettert. Die vier ablehnenden Richter hatten argumentiert, es hätte eines förmlichen Änderungsvertrages der Nato-Partner bedurft, um die Kompetenz des Bundestages zu begründen. Die vier unterlegenen Richter, darunter die Präsidentin Jutta Limbach, sahen eine Zustimmungspflicht des Bundestages auch dann gegeben, wenn Absprachen der Nato-Partner sich nicht eindeutig als Verträge qualifizieren lassen, sie jedoch die Mitwikungsrechte des Parlaments zu unterlaufen drohen. Damit würde der Nato-Vertrag „gleichsam auf Räder gesetzt“.

Jetzt hoffen die PDS-Kläger, das damalige Patt 4 zu 4 werde sich wegen der nunmehr eindeutigen Faktenlage zu ihren Gunsten verschieben. Denn seit der Verabschiedung des neuen „Strategischen Konzepts“ könne nicht mehr davon gesprochen werden, dass Sinn und Ziel des ursprünglichen Vertrages die jetzigen Änderungen abdecke. Denn es waren die Nato-Strategen selbst, die die erweiterten künftigen Befugnisse des Bündnisses jenseits des Artikel 5 des Statuts, also der Ermächtigung für den Verteidigungsfall, angesiedelt haben. Christian Semler

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