: Große Koalition gegen Meinungsfreiheit
■ Werthebach und Lorenz wollen Demos aus der City verbannen
Für seinen Vorstoß, die Zahl der Demonstrationen in der Innenstadt zu verringern, hat Innensenator Eckart Werthebach jetzt auch die Unterstützung des innenpolitischen Sprechers der SPD, Hans-Georg Lorenz, gefunden. „Auch Grundrechte müssen so ausgeübt werden, dass sie das öffentliche Leben nicht beeinträchtigen“, sagte Lorenz gegenüber der taz. Der SPD-Politiker bezeichnete die Position, das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit sei nicht einschränkbar, als „nicht haltbar“.
Die Zahl der Demonstrationen in der Innenstadt wecke „Aggressionen bei der Bevölkerung“, argumentierte Lorenz. Es müsse im konkreten Fall die Frage gestellt werden, wo eine Demonstration unter Erfüllung ihres Zweckes außerhalb des Zentrums durchgeführt werden könne. „Demos mit sozialistischer Natur können ja dann durch die Arbeiterbezirke ziehen.“ Das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit zähle zudem nicht zu den uneinschränkbaren Artikeln des Grundgesetzes. Allerdings müsse auf genaue und gerichtlich überprüfbare Maßstäbe Wert gelegt werden, sagte Lorenz, der sich für eine „sachliche Diskussion“ aussprach.
Innensenator Eckart Werthebach (CDU) kündigte gestern an, das Land Berlin müsse eine entsprechende Initiative in den Bundesrat einbringen, um künftig beim Ort und möglicherweise beim Zeitpunkt einer Demonstration mit Hilfe von Auflagen mitbestimmen zu dürfen. Er werde diese Frage auch am Rande der Innenministerkonferenz Mitte November in Görlitz ansprechen.
Seit Beginn des Jahres hätten in Berlin rund 2.100 Demonstrationen stattgefunden. Das seien mehr als im gesamten vergangenen Jahr, sagte Werthebach. „Ich sehe mit großer Sorge, dass es immer mehr Versammlungen gibt zu irgendwelchen politischen Zielen, die gar keinen politischen Gegenstand in Deutschland haben.“
Zunächst seien die Koalitionsparteien der Stadt aufgefordert, ein externes Rechtsgutachten in Auftrag zu geben, sagte Werthebach. Danach sei neben einer Bundesratsinitiative denkbar, über den Justiz- oder Innenausschuss des Bundestags zu erreichen, dass sich der Bund der Frage annehme.
Andreas Spannbauer
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen