: Hertha-Hools randalieren nach Niederlage
■ Nach der deftigen Niederlage von Hertha BSC gegen Istanbul in der Champions League empfingen rechte „Hertha-Frösche“ türkische Fans mit Hitlergruß und Wurfgeschossen vor dem Stadion. 40 Festnahmen
Der Frust entlädt sich am Osttor, die „Hertha-Frösche“ stehen Spalier. Über mehrere hundert Meter begleiten Sprechchöre „Deutschland den Deutschen, Ausländer raus!“, Hitlergruß, Drohungen und vereinzelt geworfene Gegenstände die abziehenden türkischen Fans, darunter viele Familien mit Kindern, auf dem Weg vom Olympiastadion zur U-Bahn.
Hertha BSC hat am Dienstagabend mit dem 1:4 gegen Galatasaray Istanbul seine sportliche Abreibung bekommen. Die anschließende „Revanche“ der Berliner Hooligans war trotzdem nicht überraschend. Die „Goodwill“-Initiative, mit der Senat und Verein im Vorfeld für ein „friedliches Fußballfest“ zwischen deutschen und türkischen Fans warben, interessierte die „Brecher aus Marzahn“ und Co. nur wenig.
Bierbüchsen fliegen. Als ein Türke zurückwerfen will, überwältigen ihn Polizisten. „Wir werden auf die Arschlöcher warten“, rufen seine Freunde in Richtung der Hertha-Hools. „Die Polizeistrategie ist wohl in die Hose gegangen“, kommentiert eine junge Treptowerin mit blauem BSC-Schal. „Damit, dass der unterdrückte Hass hier ausbricht, war ja wohl zu rechnen.“ Und, schiebt sie nach: „Für diese Art von Fans schäme ich mich.“
Die Polizei greift zunächst nur bei Handgreiflichkeiten ein: „Jetzt schnappen wir uns einen bösen Volksverhetzer“ ist die lakonische Anweisung eines Zivilfahnders an seine Kollegen. Insgesamt 40 Festnahmen zählt die Polizei, die während der „Abstromphase“ der 72.000 Zuschauer mit rund 160 Beamten vor Ort ist. Kein Großaufgebot, denn „das Spiel wurde von uns nicht als besonders sensibel eingeschätzt“, so eine Polizeisprecherin.
Die Stimmung der blauweiß geschmückten Fans war schon im Stadion nach dem zweiten Galatasaray-Tor umgeschlagen. Nach dem 1:3 verließen hunderte von Hertha-Fans enttäuscht ihre Plätze, während andere den Chorgesang modifizierten: „Asoziale Türken“, „Galatasaray, wir hassen die Türkei“ oder höhnische „Öcalan, Öcalan“-Sprechchöre gehören ab der 66. Spielminute zum Repertoire. „Das ist normal“, meint ein türkischer Ordner im Hertha-Block schulterzuckend, von denen erwarte ich nichts anderes.“
Hertha mühte sich mit strengen Kontrollen und einem Großaufgebot an Ordnungskräften, potentielle Gewalttäter abzuschrecken. „Die meisten Fans zeigten Verständnis“, so ein Hertha-Ordner über die langwierigen Checks, die vor allem Taschenmesser und Flaschen zutage förderten.
Die Fan-Clubs „Frankfordia Korps“, „Deutsche Eiche“ und Spreepower“ können trotzdem Flagge zeigen. Die im Hertha-Block versprengten gelbrot behängten türkischen Fans nutzten die Halbzeitpause bereits, um die Stadionhälften zu wechseln, was auch das Großaufgebot an Ordnern nicht immer verhindern konnte. So durchzog das gut gefüllte Olympiastadion schließlich eine klare, nicht nur farbliche Grenze. Von der Ehrentribüne war dies wohl nicht auszumachen. „Tolle Atmosphäre“, meinten Joschka Fischer und sein türkischer Amtskollege Cem, die das Spiel im Stadion verfolgt hatten. Dann waren sie in ihren in den Katakomben geparkten Limousinen verschwunden, während über ihnen die türkischen Fans in Freudentaumel gerieten.
Ergün und Alim, die extra aus Hamburg zum Spiel angereist waren, wundern sich über die Anwürfe der Herthaner: „Sollen die doch ins Bett gehen, wir feiern erst mal die ganze Nacht.“ „Süper Galatasaray“ steht auf dem Schal des 20-jährigen Pala aus dem Wedding: „Ich bin zwar in Berlin geboren“, meint er, „aber deshalb muss ich doch nicht immer nur für Hertha jubeln. Vor allem nicht“, ergänzt er schmunzelnd, „wenn die so schlecht spielen wie heute.“ Bis weit in die Nacht feierten die Türkischen Fans lautstark rund um den Breitscheidplatz und in Kreuzberg. Christoph Rasch
Spielbericht Seite 18
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