: Wie ein Schwarm Haie
■ Hertha BSC wird beim 1:4 gegen Galatasaray Istanbul glatt überrannt
Berlin (taz) – Eine Frage, die ihn zuletzt mächtig nervte, muss sich Hertha-Trainer Jürgen Röber nach dem 1:4 gegen Galatasaray Istanbul nicht mehr anhören: Die nach der Dualität großartiger Champions League-Triumphe und minderer Bundesliga-Auftritte. Am Mittwoch, das steht fest, war die Hertha alles andere als großartig in der Champions League.
Fragt man Röber, was die Ursache für die krasse Heimpleite im Olympiastadion war, klingt die Antwort ganz einfach: „Die 47. Minute.“ Da verschlampte Libero Kjetil Rekdal den Ball, und Hakan Sükür traf zum 1:1. „Wie Haie, die Blut gerochen haben“ (Manager Dieter Hoeneß) fiel Galatasaray danach über die Berliner her. „Wir haben heute Fehler gemacht, wie wir sie bisher in der Champions League nicht gemacht haben“, analysierte Röber, und solche Fehler würden von derartigen Mannschaften eben sofort bestraft.
Fragt man weiter, fängt der Hertha-Coach an, von Galatasaray zu schwärmen und vermittelt den Eindruck, sein – durchaus mit Nationalspielern gespicktes – Team hätte es gar nicht verdient, mit diesen „Superfußballern“ auf einem Platz zu stehen. Er habe mit Istanbuls Coach Fatih Terim geredet, erzählt Röber, und der hätte gesagt, dass Chelsea oder der AC Mailand eigentlich gar keine Gegner für sie wären. „Ich möchte nicht wissen, was er über uns gedacht hat“, fügt er grinsend hinzu.
Nun gehört eine dicke Lippe zum Überlebenskampf bei Trainern türkischer Mannschaften, deren Fans Kleinmut verabscheuen. Jürgen Röber jedoch ist ein eher nüchterner Mensch. Seine dauerhafte Stilisierung der eigenen Mannschaft zum europäischen Underdog dient der Vorbeugung. Die überschäumenden Hoffnungen, die Siege wie das 1:0 gegen Milan in der Hauptstadt auslösen, bereiten ihm geradezu physische Pein. Viel lieber preist er das bereits Erreichte, den gesicherten Verbleib im internationalen Wettbewerb zum Beispiel. Die Fortsetzung im Uefa-Cup hat Hertha sicher, und wenn nächsten Mittwoch in Chelsea ein Unentschieden gelingt oder Mailand nicht in Istanbul gewinnt, geht es in der Eliteklasse weiter.
Die Elogen auf Istanbul verstellten aber auch etwas den Blick auf die Ursachen der Niederlage. Dumme Fehler waren eine Sache, die andere war, dass Hertha dem modernen, aggressiven Fußball des Gegners in der zweiten Halbzeit nichts mehr entgegenzusetzen hatte. Weil bei den vorsichtigen Berlinern Manndecker und Libero hinten gebunden waren, konnte Galatasaray die Überzahl im Mittelfeld weidlich ausnutzen, wirkungsvolles Pressing praktizieren und fast jeden Zweikampf gewinnen. Der daraus resultierende Dauerdruck provozierte fast zwangsläufig Fehler. „Gute Fußballer, die körperlich marschieren können“, hatte Röber beim Gegner gesehen, „die kann man nicht ausschalten“. Zumindest Hertha BSC konnte es an diesem Tage nicht, da die Spieler weder physisch noch geistig in der Lage waren mitzuhalten.
Sehr deutlich wurde, wie viel Kraft die letzten Wochen die Berliner gekostet haben, was den Coach angesichts der kommenden Aufgaben sehr bedenklich stimmt. Drei Auswärtsspiele stehen an, am Samstag in Schalke, Mittwoch in Chelsea, dann in Frankfurt. „Damit muss man fertig werden“, sagt Röber. Wenn nicht, darf er sich wohl in den nächsten Wochen mit einer neuen Dualität herumschlagen: Uefa-Cup und Bundesliga-Keller. Matti Lieske
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