„Als Schicksal abbuchen“

■ Reinhold Sackmann, Generationenforscher an der Uni Bremen, sieht die Jüngeren beim Rentenstreit im Nachteil. Neue Rentenformel nötig

taz: Entwickelt sich der Rentenstreit künftig zum schwersten sozialen Konflikt?

Reinhold Sackmann: Der Konflikt ist jetzt schon sehr viel offener als noch vor ein paar Jahren, und er wird noch schärfer werden. Er ist gewissermaßen eine heutige Nebenfolge des Umlageverfahrens, an die niemand gedacht hat, als dieses Rentensystem entstand.

Es heißt immer, die Älteren hätten eine so starke Lobby, einfach weil sie eine so große Wählerschaft darstellen.

Es stimmt, Jüngere haben eine schlechtere Lobby. Andererseits aber sind Ältere nicht leicht zu organisieren, sie sind schon stark an den Rand des öffentlichen Lebens gedrängt. In den USA beispielsweise gibt es einen mächtigen Rentnerverband. Es hat sich dort gezeigt, dass es schwer ist, einheitliche Positionen zu erreichen.

Die Alten sagen: Wir haben so lange in die Rentenkasse eingezahlt, jetzt haben wir ein Recht auf die Rente.

Das entspricht zwar dem Äquivalenzprinzip, funktioniert aber nur, wenn die Regeln gleich bleiben. Wenn sich aber die Regeln ändern, etwa in der Demographie, müssen alle Generationen damit umgehen. Übrigens haben auch frühere Rentnergenerationen kräftig profitiert, ohne entsprechend eingezahlt zu haben – beispielsweise in den Fünfzigerjahren, als das Umlageverfahren eingerichtet wurde.

Viele der Älteren verweisen im Rentenstreit immer wieder darauf, dass sie die karge Nachkriegszeit erleben mussten und die Bundesrepublik mit aufgebaut haben.

Die Frage ist, inwieweit kann man bestimmte Zeitumstände der Vergangenheit ins Spiel bringen? Das muss man eigentlich als Schicksal abbuchen. Die Jüngeren kann man jedenfalls nicht für die karge Nachkriegszeit verantwortlich machen.

Wird der Generationenkonflikt eigentlich durch die privaten Erbschaften, durch Transfers in der Familie, abgemildert?

Etwas. Der private Ausgleich über Erbschaften ist aber sehr viel ungerechter als das Rentensystem.

Was wäre eine Lösung für die Zukunft?

Der Vorschlag der Bundesregierung, die Renten zwei Jahre nur entsprechend der Inflationsrate zu erhöhen, ist insofern gut, weil er schon den heutigen Rentnern, denen es nicht so schlecht geht, ein kleines Opfer zumutet. Am besten wäre künftig ein fester Regelmechanismus, eine neue Rentenformel, bei der die Verlängerung der Lebensarbeitszeit mit der Verlängerung der Lebenserwartung verknüpft wird. Um die Verlängerung der Lebensarbeitszeit kommt man nicht herum. Interview:

Barbara Dribbusch