piwik no script img

Sonniges Finale im Rebhügel

■ Altweibersommer rettete magischen 99er Weinjahrgang an Rhein und Mosel

Erst hochgejubelt, dann im Regen ersoffen, am Ende von der Oktobersonne erlöst: Nach langem Zittern und einer alarmierenden Regenperiode haben die intensiven Sonnentage Mitte Oktober den magischen 1999er Jahrgang in den deutschen Weinanbaugebieten gerettet.

Die letzte Lese des Jahrtausends brachte vor allem bei den spätreifen Sorten – allen voran dem Riesling und den Burgundern – in vielen Anbaugebieten „phantastische Mostgewichte“, so der Pfälzer Spitzenwinzer Hans-Jörg Rebholz. Er hat Weißburgunder und Chardonnay mit knapp hundert Oechsle (Auslesequalität) in den Keller gefahren, auch der Riesling geriet bestens.

Kritischer sieht es bei den frühen Sorten und einigen Rotweinen aus. Der Trollinger in Württemberg ist komplett ersoffen und wird dünne Weinchen bringen. In der Pfalz wurden Portugieser und Schwarzriesling ein Opfer des anfangs heftigen Oktoberregens. Selbst die besten Winzer ernteten allenfalls Durchschnittsware. Franken ist dagegen hoch zufrieden, und auch im Rheingau floss hochwertiger Most aus der Kelter. Angela Kühn vom Weingut Peter Jakob Kühn in Oestrich-Winkel sah mit Freuden, wie der Riesling rosinenartig zusammenschrumpfte und um den 20. Oktober in den besten Lagen die hundert Oechslemarke erreichte: „Alles deutet auf einen tollen Jahrgang hin.“ Kühn wagt sogar einen Vergleich mit dem großen 76er Jahrgang. An der Mosel, dem zweiten großen Rieslinggebiet, sieht es nicht anders aus. Die besten Winzer spielen weiter auf Risiko und wollen im November noch Trockenbeerenauslesen und Eisweine, die öligen Nektare der großen Jahrgänge, ernten. Hochwertige Auslesen sind schon jetzt in Tank und Fass. Das Manko des 99ers bleibt die üppige Menge. In vielen Weinbergen hingen die Stöcke übervoll, und der Regen Anfang dieses Monats hat den Stoff zusätzlich verdünnt.

Nur Qualitätswinzer, die im Spätsommer rechtzeitig die Trauben reduziert und einen Teil der Fruchtansätze rausgeschnitten haben, werden den Millenniumjahrgang genießen können. Und nur diejenigen Winzer, die mit der Lese lange genug gewartet haben, wurden belohnt. Der Kultjahrgang 1999 ist der zwölfte gute Jahrgang in Folge – eine einmalige Serie in der Geschichte des Weinbaus. Aber es wird auch viele dünne Massenweine geben. Manfred Kriener

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen