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Der Aufstand im Alten Land

Schutzbündnis Elbregion gegen Dasa-Erweiterung gegründet. 30.000 Menschen kämpfen um Haus, Hof und 10.000 Jobs  ■ Von Sven-Michael Veit

Der Aufstand beginnt im Alten Land, beim Heimatverein Francop. Er greift auf den Landfrauenverein Neuenfelde und den Interessenverband Liedenkummer über und reißt das Niedersächsische Landvolk Stade und die Öko-Obstbaugruppe Norddeutschland mit sich. Dann überquert er den Strom, Blankeneser Segelclub und Bürgerverein Flottbek schließen sich an; die Umweltverbände Nabu und BUND sind genauso dabei wie der Botanische Verein zu Hamburg oder der Landesjagd- und Naturschutzverband der Hansestadt.

29 Verbände und Vereine mit mehr als 30.000 Mitgliedern haben gestern das „Schutzbündnis für Hamburgs Elbregion“ gegründet. Ihr gemeinsames Ziel ist, die Erweiterung des Dasa-Werkes in Finkenwerder zu verhindern. In ihrem Auftrag hat Rechtsanwalt Peter Mohr bei der Wirtschaftsbehörde beantragt, das laufende Planfeststellungsverfahren einzustellen. Dieses sieht eine Verlängerung der Start- und Landebahn des Dasa-Werkes auf 2684 Meter vor sowie eine Teilzuschüttung der ökologisch wertvollen Elbbucht Mühlenberger Loch, die als „Feuchtgebiet von internationalem Rang“ nach der Ramsar-Konvention der Vereinten Nationen anerkannt ist. Damit will der Senat die Endmontage des Riesen-Airbus A3XX in Hamburg ermöglichen und 2000 bis 4000 Arbeitsplätze schaffen.

Das sei eine „bewusste Täuschung“ der Betroffenen im Alten Land, sagt die Obstbäuerin Gabi Quast aus Neuenfelde. Nach neuesten Anforderungen von Airbus könnte eine Verlängerung der Piste auf sogar 3500 Meter erforderlich sein, bis nach Neuenfelde hinein. „Dann wird der Obstanbau unmöglich“, fürchtet Quast. Und die Exis-tenz von etwa 1000 bäuerlichen Betrieben im größten Obstanbaugebiet Europas würde gefährdet, ergänzt Johann Moje von der Obstbau-Fachgruppe des Landvolks Stade: „Daran hängen 4160 direkte sowie etwa 6000 indirekte Arbeitsplätze“, rechnet Moje vor. Denn wer wolle dann noch „Äpfel aus integriertem Anbau in der Kerosin-Fahne des A3XX kaufen?“.

Würde noch eine Sicherheitszone von einem Kilometer Umfang hinzukommen, müsste der größte Teil der Ortschaften Neuenfelde und Hasselwerder geräumt werden (taz berichtete gestern), etwa 3000 BewohnerInnen drohten dann Enteignung und Zwangsumsiedlung. Vergleichbare Folgen könnten sich für das Nordufer der Elbe ergeben: Teufelsbrück und der Jenisch-Park sowie Teile von Klein Flottbek und Othmarschen lägen ebenfalls in der Einflugschneise des A3XX.

Bernd Meyer, Sprecher der Wirtschaftsbehörde, kontert mit dem Vorwurf der „Desinformation“. Eine nochmalige Verlängerung der Piste auf 3,5 Kilometer „könnte eventuell ab 2006 notwendig werden“. Welche Folgen dies hätte, sei zum jetzigen Zeitpunkt „spekulativ“. Dies würde dann in einem neuen Planfeststellungsverfahren zu erörtern sein.

Auch dem jetzigen droht neues Ungemach. In einem Schreiben vom 18. Oktober an die EU-Kommission, die das Planfeststellungsverfahren zur Zeit prüft, erklärt Ramsar-Generalsekretär Delmar Blasco das Mühlenberger Loch für unersetzlich. Nach wissenschaftlichen Erkenntnissen könne es „für das letzte intakte Süßwasserwatt im Elbeästuar wohl keinen angemessenen Ausgleich geben“.

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