: Schimanski fürs nächste Jahrtausend
■ Der neue ZDF-Kommissar Lanart könnte würdiger Nachfolger der Ruhrpott-Ikone werden: „Der Solist“, (Sa., 20.15 Uhr, ZDF)
Seit sie Schimanski wieder auf Tour geschickt haben, ist erst recht klar, wie sehr die legendäre Kommissarfigur aus dem Ruhrpott mit dem Zeitgeist der frühen 80er verbunden war. Irgendwie funktioniert es nicht mehr. Nur: Wie könnte der Schimi des nächsten Jahrtausends aussehen?
Sicher wäre er besser angezogen, sicher müsste der Neue bei aller Bärbeißigkeit auch ein gut betuchter Gentleman sein. Aber bestimmt wäre so einer auch ein Sturkopf, der mit Disziplinarverfahren jongliert wie andere mit Apfelsinen und der Türen lieber auftritt als aufschließt. Aber auch der neue Leitwolf wäre tief drinnen ein verletztlicher Romantiker, und also absolut unbestechlich.
Kommissar Philipp Lanart, die neue Krimifigur des ZDF, scheint als Schimanski für das nächste Jahrhundert entworfen. Der wortkarge Held wurde bereits einmal strafversetzt und macht auch in seinem neuen Job am liebsten, was sein Instinkt ihm rät – und das ist mit Sicherheit das Gegenteil dessen, was seine Vorgesetzten von ihm erwarten. Lanart ist der „Solist“ in der Truppe, und schon deshalb muss seine Partnerin in der ersten Viertelstunde sterben.
Was eine gute Motivation für den folgenden Alleingang abgibt. Denn nach der folgenschweren Schießerei ist dem Solisten klar: Im Polizeirevier hat sich eine Mafia festgesetzt, die selbst vor Kollegenmord nicht zurückschreckt. Also beschließt Lanart, seine tote Partnerin zu rächen, seine eigene Haut zu retten und nebenbei auch noch pflichtschuldig seinen Auftrag zu erledigen: Er soll eine koksende Prostituierte beschützen, die als Kronzeugin in einem Mordfall aussagen will.
Iris Berben spielt diese heruntergekommene Hure mit ungeahnter schauspielerischer Präsenz. Wer hätte gedacht, dass diese schöne Frau so viel Mut zum Hässlichen hat und den derben Ton der Straße derart gefühlsecht herstellen kann? Gemeinsam mit dem „Solisten“ Thomas Kretschmann ist sie nun auf der Flucht vor den bösen und den guten Bullen, die selbst für den Profi Lanart nicht mehr zu unterscheiden sind.
Bis zum Showdown hält Autor Holger Karsten Schmidt die Spannung aufrecht und führt dabei elegant die Typen der Serie ein. Die Regie von Carlo Rola ist vielleicht einen Hauch zu ambitioniert: In einem suggestiven Prolog schildert er das Verbrechen aus verschiedenen irrealen Perspektiven. Denn eigentlich hatte der Mörder gar keine Zeugen. Auch später noch hält Rola gelegentlich bedeutungsschwanger das Bild an. Von diesen verzeihlichen Manierismen abgesehen, wechseln sich die coolen Bilder und malerischen Einstellungen in erklärlichem Rhythmus ab und nehmen einen tatsächlich gefangen.
Sollte die neue Reihe ihr differenziertes erzählerisches Niveau halten, die überalterte Ikone Schimanski hätte endlich einen würdigen Nachfolger gefunden. Müsste die ARD Götz George nur noch vom verdienten Ruhestand überzeugen. Klaudia Brunst
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen