: Reform droht Herzstillstand
■ Die Krankenkassen entziehen Gesundheitsministerin Fischer das Vertrauen: Reform hat kaum mehr Zukunftschancen. SPD-Experte Dreßler hantiert bereits mit dem Skalpell
Berlin (dpa/taz) – Knapp eine Woche vor ihrer letzten Lesung im Bundestag droht die Gesundheitsreform zu scheitern. Nachdem CDU/CSU in den vergangenen Wochen ihren nachhaltigen Protest dagegen angekündigt hatte, verabschieden sich nun auch nach und nach die Ersatzkassen.
Die Regierung reagiert ängstlich. SDP-Sozialexperte Rudolf Dreßler plädiert dafür, Alternativen vorzubereiten und notfalls die nach Bereichen getrennte Ausgabenbegrenzung zu verlängern.
Mittlerweile fordern die Ersatzkassen einen parteiübergreifenden neuen Anlauf“ der Reform. Gesundheitsministerin Andrea Fischer (Grüne) ließ gestern mitteilen, sie halte an ihrem Entwurf fest. Die Ersatzkassen sind darüber empört, in den kommenden Jahren Milliardenbeträge zur Sicherung der Allgemeinen Ortskrankenkassen in Ostdeutschland aufzubringen. Sie fühlen sich als „Opfer eines politischen Kuhhandels“. Einige Kassen verlangen, die Reform zu stoppen. Politisch sei das Gesetz ohnehin nicht durchzubringen.
Der Chef der Barmer Ersatzkasse, Eckart Fiedler, zählte gestern die Mängel des Gesetzes auf: Es würden nicht die Überkapazitäten im medizinischen Bereich beseitigt. Zudem würde den Patienten zu wenig Orientierung im Gesundheitswesen geboten. Fiedler bemängelt das Globalbudget, das die Ausgaben begrenzen soll, und die Neuordnung der Klinikfinanzierung. In den kommenden Jahren müssten die Kassen acht bis zehn Milliarden Mark mehr tragen, ohne dass sie dafür ausreichend Geld bekommen würden. Nach dem Willen von Andrea Fischer soll die Strukturreform ohne Erhöhung der Beitragssätze bei den gesetzlichen Kassen laufen. Für die Kernpunkte ihrer Reform – Globalbudget und Krankenhausfinanzierung – braucht Andrea Fischer die Zustimmung der unionsgeführten Länder im Bundesrat. Rudolf Dreßler sieht zwar eine reelle Chance für eine Einigung, bezweifelt aber, ob die noch fristgerecht gelingen kann. In einem Rundfunkinterview sagte er gestern, notfalls müsse die derzeitige Budgetierung für einzelne Bereiche wie Arzneien, Krankenhäuser und Arzthonorare verlängert werden. Dies gehe auch ohne Zustimmung der Union. roga
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