: Kühl-Lastwagen oder Designer-Büros?
■ Der geplante Großmarkt-Umzug hat Folgen: Auch für die Flotte der Kühl-Lastwagen, deren Aggregate nachts brummen, wird jetzt ein Standort in den Bremer Hafenrevieren gesucht
Die Firma Hameico ist eine Tochter des größten europäischen Fruchtimporteurs, der Atlanta-Gruppe, und derzeit im Bereich des Großmarktes am Bremer Flughafen angesiedelt. Wenn im Jahre 2003 der Großmarkt in die alten Hafenreviere im Bremer Westen umzieht, dann soll Hameico mit ziehen, völlig klar. Aber Hameico wollte den privilegierten Platz im Eingangsbereich des Großmarktes, und den wollte der Großmarkt dem Unternehmen nicht zugestehen. Da gab es mit dem Wirtschaftsressort einen Kompromiss: Der Fruchthändler mit seiner LKW-Flotte könnte direkt vor dem Großmarkt seinen neuen Platz bekommen, zwischen Obsthersteller Dittmeyer und dem Eingangsbereich des Großmarktes. Dieser Platz war in früheren Plänen einmal für einen „Cash&Carry“-Markt vorgesehen, dafür gibt es bisher aber keinen Interessenten.
Die Idee ist so brisant, dass der Beirat Walle bisher nicht offiziell damit befasst wurde. „Ich kenne nur Gerüchte“, sagt der Ortsamtsleiter im Bremer Westen, Bernd Peters. Und die reichen für erhebliche Verärgerung: Eigentlich wollten die Waller einen Zugang zur Weser, der den Stadtteil attraktiver macht, und keinen LKW-Parkplatz an der Weser. Wenn 30 Trucks dort nachts parken und ihre Kühl-Aggregate laufen lassen, dann ist der Platz für den Stadtteil verloren.
Wie sensibel die Frage ist, stellten die Planer dann fest, als sie die mutmaßliche Lärmbelästigung für das naheliegende „Heimatviertel“ ausrechneten. Eine acht Meter hohe Lärmschutzwand müsste gebaut werden, um die Anwohner in dem Viertel nach den geltenden Lärmschutz-Verordnungen zu schützen. Denn mehr als 40 Dezibel dürfen in dem Wohnviertel nachts nicht ankommen, das ist der Grenzwert für Lärmemissionen in Wohngebieten. Eine acht Meter hohe Wand, die Walle von der Weser abschirmt, hätte aber alle Chancen, zum Symbol verfehlter Stadtplanung zu werden. „Dieser Standort geht leider nicht“, musste der Bremer Senatsrat Klaus-Wilhem Timm vom Wirtschaftsressort, das die Hameco-Umsiedlung an sich gezogen hat, daher feststellen. Ein neuer Standort muss also her, denn niemand will die Firma Hameico und damit die Mutter Atlanta vor den Kopf stoßen. Die neue Idee, das bestätigte Senatsrat Timm gegenüber der taz, ist die „Fläche 12“ der alten Hafenreviere, von der City aus gesehen hinter dem Großmarkt. Dort ist durch die Zuschüttung des Überseehafens eine 50 Hektar große Fläche entstanden, für die es bisher keine Festlegung gab. Hinter dieser Fläche, weserabwärts gesehen, käme dann das geplante Einkaufszentrum Space Park.
Das wäre eine Entscheidung mit grossen Folgen: Im vergangenen Herbst waren renommierte Baufirmen und Stadtarchitekten eingeladen worden, sich Gedanken um die alten Hafenreviere zu machen; alle hatten ein besonderes Auge auf die Fläche geworfen, auf der es noch keine geschaffenen Tatsachen gab: Die „Fläche 12“ ist die einzige noch einigermaßen frei verfügbare relevante Größe im gesamten Gebiet der alten Hafenreviere. Die Nähe zur Weser hat ihren Reiz und auch das Wendebecken, hinter dem die Rakete des Space Park zu sehen wäre. Brücken könnten über den Holzhafen einen Zugang zu diesem Gebiet schaffen, hatte etwa in den Plänen gestanden, die u.a. die Bremer Gewoba vorgelegt hatte. Und eine Mischung aus modernen Büros und Wohnhäusern könnte einen kleinen neuen Stadtteil auf der attraktiven „Fläche 12“ an der Weser entstehen lassen.
Wenn dort nun die Hameico-Kühllastwagen stationiert werden, die in ihrer Umgebung keine Wohnbevölkerung vertragen, dann können die bundesweit angesprochenen Investoren solche Pläne vergessen. Das wäre das Ende einer monatelangen stadtplanerischen Auseinandersetzung. „Wir sind traurig darüber“, sagt der Ortsamtsleiter Bernd Peters deswegen zu den Hameico-Plänen, wenn die „Chancen für die Zukunft“, die in diesem Gebiet lägen, verspielt würden; die alten Hafenreviere würden „zu einem Gewerbegebiet unter vielen“ gemacht. Ein „ungeschliffener Edelstein“ sei die Fläche, findet Peters, und eine Nutzung für parkende Kühllastwagen „eine eher zufällige Verwertung wertvoller Grundstücke im alten Hafen“.
Für das Wirtschaftsressort ist der Fall klar: „Dort wird es einen Standort für Hameico geben“, sagt Timm. Dass eine „Mischnutzung“ der alten Hafenreviere für Gewerbe und Wohnen bzw. moderne Büros „problematisch“ sein kann, das hatte das Wirtschaftsressort immer gesagt und daher nie besonders viel von dem Investoren-Wettbewerb gehalten, denen keine klare Vorgabe „nur Gewerbe an dieser Stelle“ gemacht worden war. Für ein Gewerbegebiet hätte es dieses Inves-toren- und Stadtarchitekten-Wettbewerbs auch nicht bedurft.
Bis Jahresende soll der Senat nun einen „Rahmenplan“ verabschieden, der Klarheit bringt. Nach Vorstellungen der SPD-Fraktion soll dieser Rahmenplan aber „Nutzungsvielfalt“ festschreiben, ausdrücklich genannt sind „hochwertiges Gewerbe, Freizeit, Wohnen, Wohnen & Arbeiten“, und vor der Verabschiedung des Rahmenplans sollen keine Tatsachen mehr geschaffen werden durch „Vergabe von Grundstücken“, steht in einem druckfrischen Beschluss von der Fraktionsklausur im Oktober. Vorsitzender der Arbeitsgruppe, die sich für die SPD um die alten Hafenreviere kümmern soll, ist der Abgeordnete Carsten Sieling. Und der findet die Fläche 12 für Hameico schlicht „nicht geeignet“. Begründung des SPD-Politikers: „Dann wären ja alle anderen Nutzungsmöglichkeiten für diese Fläche nicht mehr realisierbar.“ K.W.
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