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Werthebach stoppt Einbürgerung

■  Der Innensenator verweigert BerlinerInnen aus Serbien und Montenegro den deutschen Pass – weil Rest-Jugoslawien seine Bürger nur gegen eine saftige Gebühr ziehen lässt, die gegen das EU-Embargo verstößt. Die Bundesregierung rät, den Doppelpass hinzunehmen

Wenn im Januar das neue Staatsbürgerschaftsrecht in Kraft tritt, wird die Einbürgerung einfacher – doch für BerlinerInnen aus Rest-Jugoslawien gilt das nicht. Denn für sie hat Innensenator Eckart Werthebach (CDU) einen Einbürgerungsstopp verhängt.

In einem Schreiben an die Bezirksämter ordnete die Innenverwaltung an, „die Einbürgerungsverfahren zunächst für die Dauer von sechs Monaten auszusetzen“. Die Fraktionen von PDS und Bündnisgrünen sowie der Kreuzberger Bezirksbürgermeister haben dies gestern scharf kritisiert. Nach ihren Schätzungen sind davon bis zu 10.000 Menschen betroffen, die sich bereits seit mindestens acht Jahren in Deutschland aufhalten.

Für besondere Empörung sorgte gestern Werthebachs Begründung, die die PDS als „außergewöhnlich hinterlistig“ bezeichnete. Die Innenverwaltung beruft sich auf Schreiben mehrerer Bundesbehörden. Innen-, Außen- und Wirtschaftsministerium hatten darauf hingewiesen, dass die Zahlung der Gebühren, die Rest-Jugoslawien für die Entlassung aus der Staatsbürgerschaft erhebt, gegen das EU-Finanzembargo verstößt.

Da hierzulande eine doppelte Staatsangehörigkeit nur in Ausnahmefällen geduldet wird, müssen Ausländer, die Deutsche werden wollen, ihre alte Staatsbürgerschaft aufgeben. BürgerInnen der aus Serbien und Montenegro bestehenden Bundesrepublik Jugoslawien müssen diese Entlassung im jugoslawischen Generalkonsulat in Hamburg beantragen. Das Konsulat verlangt für die Bearbeitung pro Person 2.627 Mark. Diese Zahlungen, da sind sich Bund und Land einig, verstoßen gegen die Finanzsanktionen, mit dem die EU den Miloševic-Staat schwächen will.

Doch im Gegensatz zu Innensenator Werthebach legen die Bundesbehörden nahe, in diesen Fällen die doppelte Staatsbürgerschaft hinzunehmen. „Es wäre unzumutbar und mit dem grundgesetzlichen Regelungsrahmen nicht vereinbar, Einbürgerungskandidaten, die in vielen Fällen Opfer von Menschenrechtsverletzungen durch jugoslawische/serbische Behörden gewesen sein können, den Weg in die deutsche Staatsbürgerschaft zu verwehren“, heißt es in der Stellungnahme des Wirtschaftsministeriums. Deshalb sollten „bis auf weiteres Entlassungsbemühungen von Einbürgerungsbewerbern nicht mehr verlangt werden“.

Ohne diese Entlassung aber will der Innensenator keine Einbürgerung dulden. „Mehrstaatlichkeit soll vermieden werden“, betonte sein Sprecher Norbert Schmidt. „Deshalb stecken wir in einem echten Zielkonflikt.“ Dieser solle, so Schmidt weiter, auf der nächsten Innenministerkonferenz Mitte November beraten werden.

PDS und Bündnisgrüne wollen die Anordnung der Innenverwaltung nicht hinnehmen. Die PDS will in der nächsten Sitzung des Abgeordnetenhauses beantragen, „die gesetzeswidrige Aussetzung der Einbürgerungspraxis“ aufzuheben. „Das Staatsbürgerschaftsrecht sieht die individuelle Prüfung der Einbürgerungsanträge vor“, so der Abgeordnete Giyas Sayan. Auch der bündnisgrüne Abgeordnete Ismail Kosan hält es für einen „schweren Fehler“, dass Werthebach „den Staatsbürgern aus dem ehemaligen Jugoslawien den schwarzen Peter zuschiebt“. Kreuzbergs grüner Bürgermeister Franz Schulz lässt die Anordnung bereits durch sein Rechtsamt prüfen. Im Rat der Bürgermeister will er für einen gemeinsamen Vorstoß gegen die Anordnung werben. „Erst einmal aber sind wir daran gebunden.“ Sabine am Orde

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