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OSZE erhält Einreiseerlaubnis nach Tschetschenien

■ Moskau stimmt Beobachtermission in Kriegsgebiet zu. Lage von tausenden Flüchtlingen an der Grenze zu Tschetschenien spitzt sich zu. Russische Luftwaffe verstärkt Angriffe

Moskau/Grosny (dpa/AFP) – Russland hat der Entsendung von Beobachtern der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) in das Kriegsgebiet Tschetschenien zugestimmt. Die Gruppe werde bereits in der kommenden Woche erwartet, sagte der russische Außenminister Igor Iwanow gestern in Oslo. Er war dort am Rande des Nahost-Gipfeltreffens mit seiner US-Kollegin Madeleine Albright sowie mit dem norwegischen Außenminister Knut Vollebäk zusammengetroffen. Iwanow erklärte, die OSZE-Beobachter dürften den von russischen Truppen beherrschten Teil Tschetscheniens sowie die Republiken Inguschetien und Dagestan besuchen.

Unterdessen hat sich die Lage von tausenden von Flüchtlingen an den von russischen Truppen blockierten Grenzen Tschetscheniens weiter verschlimmert. Als „Willkür gegen Menschen“ kritisierte der Präsident der tschetschenischen Nachbarrepublik Inguschetien, Ruslan Auschew, die Blockade der Grenzübergänge Tschetscheniens zu Inguschetien durch russische Truppen. Nach Auschews Darstellung erlaubten die russischen Soldaten den Flüchtlingen nur an einem Grenzpunkt die Einreise nach Inguschetien, aber erst nach langwierigen Kontrollen. „An einem Tag kommen dort bestenfalls 180 Menschen über die Grenze“, sagte er.

Auf tschetschenischer Seite warteten inzwischen bereits über 7.000 Flüchtlinge in einer fast 15 Kilometer langen Fahrzeugkolonne bei Schnee und Regen. Nach Auschews Darstellungen starben seit Montag vier Menschen in der Flüchtlingskolonne. Insgesamt schätzte das UNHCR in Genf die Zahl der an der Grenze festsitzenden Flüchtlinge auf rund 15.000. Das UNHCR wollte noch in dieser Woche eine Gruppe von Experten in das Krisengebiet im Kaukasus senden.

Die russische Luftwaffe setzte auch gestern ihre Angriffe auf Ziele in Tschetschenien fort. Dabei wurde eine Kommandostelle der muslimischen Rebellen in Grosny getroffen. Bereits in der Nacht zu Dienstag hatten russische Kampfflugzeuge Stadtteile im Nordwesten Grosnys sowie die Umgebung des Flughafens Scheich Mansur im Norden bombardiert. Artillerie und Raketenwerfer feuerten auf dieselben Ziele. Nach Angaben des tschetschenischen Militärs griffen die russischen Streitkräfte zudem die Städte Urus-Martan und Bamut im Westen sowie mehrere Orte im Osten und Süden an. Über Tote und Verletzte gab es zunächst keine Angaben.

Im Widerspruch zu früheren Erklärungen der russischen Militärführung kündigte der Befehlshaber des östlichen Frontabschnitts in Tschetschenien, General Gennadi Troschew, die baldige Erstürmung der Stadt Gudermes an. Bei dem Angriff auf die zweitgrößte tschetschenische Stadt sollten nach Möglichkeit größere Verluste der Truppen vermieden werden, berichtete Interfax.

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