: Verbrechen leben in den Bildern
■ Die Ausstellung „Verbrechen der Wehrmacht“, die 1997 im Rathaus gezeigt wurde, ist zurückgezogen worden / Fragen dazu an Prof. Wolfgang Eichwede
Um die Ausstellung „Verbechen der Wehrmacht“ ist eine neue Debatte entbrannt. Das „Hamburger Institut für Sozialforschung“ hat die Präsentation der Bilder und Texte in Washington abgesagt, um die Ausstellung zunächst überarbeiten zu können (vgl. taz 5. 11.).
1997 hatte es in Bremen einen Koalitions-Krach und eine fachkundige Debatte gegeben, in der unter anderem der Bremer Osteuropa-Historiker Wolfgang Eichwede sich dafür eingesetzt hatte, die Bilder zu zeigen. Wir fragten ihn, was er heute darüber denkt.
taz: Wenn das 1997 bekannt gewesen wäre, was heute bekannt ist über die Ausstellung „Verbrechen der Wehrmacht“ – wären die Bilder dann im Bremer Rathaus gezeigt worden?
Prof. Wolfgang Eichwede: Wir hätten den Austellern den dringenden Rat gegeben, die Korrekturen aufzunehmen. Wenn die Ausstellung entsprechend verändert worden wäre, dann hätte sie auch stattfinden können.
Wird die Ausstellung in Frage gestellt durch die Einwände gegen einige der Bild-Legenden?
Faktisch nicht, symbolisch wahrscheinlich. Bis in die 70-er Jahre herrschte das Bild von einer ritterlichen Wehrmacht, die sich vom Faschismus freihalten konnte. Das war in der Forschung Ende der 70-er Jahre nicht mehr zu halten. Da gab es zum Beispiel ein Buch mit dem Titel „Die Truppe des Weltanschauungskrieges“ gegeben von dem Historiker Helmut Kausnick und anderen, in dem zusammenfassend von der „weitgehenden Integration des Heeres in das Vernichtungsprogramm Hitlers“ die Rede ist. Erst die Ausstellung der Bilder hat das einer breiten Öffentlichkeit bekannt gemacht. Aber wenn eine Ausstellung so umstritten ist wie diese, dann fallen kritische Einwände gegen einzelne Bilder zurück auf die Gesamtaussage, auch wenn das nicht berechtigt ist. Das ist die symbolische Seite.
Die Ausstellung zeigt Quellen-Texte, die die Verbrechen der Wehrmacht dokumentieren und stellt Fotos von Toten daneben, die sagen sollen: Da war damals sogar einer vor Ort, der das fotografiert hat. Wird die Aussagen der Texte entwertet, wenn man feststellt: Die Leichen sind doch nicht fotografiert worden, das Foto zeigt andere Leichen.
Nein. Aber eine Ausstellung lebt von den Bildern und davon, dass sie stimmen. Der eine oder andere muss sich sagen: Ich könnte auch auf einem dieser Bilder sein. Die Ausstellung erlangt ihre Bedeutung durch die Wucht der Bilder. Die korrekte Interpretation der Bilder ist dafür entscheidend.
Es ist auffallend, dass gerade osteuropäische Historiker so lautstark insistieren, dass die Leichen auf dem einen oder anderen Bild nicht Opfer der Wehrmacht, sondern der russischen Seite sind.
Ich habe mit dem polnischen Historiker Bogdan Musial ein langes Gespräche gehabt. Er ist weit davon entfernt, die Verbrechen der Wehrmacht zu bagatellisieren. Das ist ein ausgesprochen seriöser und genauer Historiker, der einfach sagt: Wenn die Bezeichnung von Bildern nicht stimmt, dann muss das auch gesagt werden. Natürlich muss man sehen, dass die Nachkriegsgeschichte in den osteuropäischen Ländern durch die Auseinandersetzung mit den Verbrechen der russischen Seite in hohem Masse bestimmt ist.
Sein Aufsatz soll zunächst im Rheinischen Merkur gestanden haben.
Davon sollte man kein Aufhebens machen. Woher soll ein polnischer Autor wissen, wie die innenpolitische Zuordnung von Blättern hier ist. Daraus ergibt sich auch keine Entlastung der Ausstellung.
Diejenigen, die die Ausstellung auch gegen erhebliche Widerstände durchsetzten mussten, haben auf solche Einwände mit dem Verweis auf den politischen Richtungsstreit um diese Ausstellung reagiert.
Das war außerordentlich unklug. Je mehr eine Ausstellung als politische Provokation verstanden wird, desto seriöser und genauer muss sie gearbeitet sein. Es ist ja von denen, die diese Ausstellung gezeigt haben, zum Beispiel in Bremen, den Ausstellungsmachern vom „Hamburger Institut für Sozialforschung“ großes Vertrauen geschenkt worden. Dieses Vertrauen muss jetzt wiederhergestellt werden. Die Sachaussage, das will ich unterstreichen, steht dabei nicht in Zweifel, sie ist in wissenschaftlichen Kreisen vorher auch bekannt gewesen und vertreten worden. Aber es gibt eben einen Unterschied zwischen wissenschaftlichen Büchern von 700 oder 800 Seiten. Ausstellungen müssen plakativ sein, dürfen aber nicht weniger genau sein. Fragen: K.W.
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