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Extrawurst für Rumäniens Orthodoxe

■ Ein Gesetz über die Rechtslage der Kirchen sorgt in Rumänien für Streit. Danach soll die orthodoxe Kirche einen Sonderstatus erhalten. Andere Kirchen fühlen sich dikriminiert

Bukarest (taz) – „Christus hat keine Nationalkirche geschaffen. Sondern eine Kirche für alle.“ So kommentiert der griechisch-katholische Erzbischof George Gotiu Rumäniens jüngsten Kirchenstreit. Der dreht sich um einen Gesetzentwurf, der die Rechtslage der Kirchen neu regeln soll. Der Entwurf sieht für die orthodoxe Mehrheitskirche einen Sonderstatus vor: Sie wird „Nationalkirche“.

Rumäniens andere Kirchen fühlen sich abqualifiziert. Kritiker des Gesetzentwurfes warnen vor der Verflechtung zwischen orthodoxer Kirche und Staat. In Rumänien bekennen sich knapp 87 Prozent zum orthodoxen Glauben. Der Rest gehört überwiegend den verschiedenen katholischen und evangelischen Kirchen an.

Doch die orthodoxe Kirche fordert die Rolle einer „Nationalkirche“ noch aus einem anderen Grund. Sie glaubt, einen „historischen Rechtsanspruch“ auf diesen Status zu besitzen. Das rumänische Volk sei „christlich geboren und seit zweitausend Jahren orthodox“, lautet das verbreitetste Dogma. Auch habe die orthodoxe Kirche in der Geschichte für die rumänische Nation und ihre spirituell-territoriale Einheit gekämpft. Schließlich sei die orthodoxe Kirche in der Zwischenkriegszeit die „vorherrschende Kirche im Staat“ gewesen. Dieses Recht müsse wieder hergestellt werden.

Einen Sonderstatus hatte die rumänische Regierung der orthodoxen Kirche in ihrem ursprünglichen Gesetzentwurf von Anfang September nicht zugebilligt. Doch gegen den Entwurf protestierten sowohl die nationalistischen Medien und Oppositionsparteien als auch die orthodoxe Kirche. In einem Brief an Ministerpräsident Radu Vasile schrieb das Oberhaupt der orthodoxen Kirche, Patriarch Teoctist: „Nachdem die kommunistische Diktatur mit allen Mitteln versucht hat, die orthodoxe Kirche aus dem Leben der rumänischen Nation auszuschließen, wohnen wir einem neuen Versuch bei, die Kirche zu relativieren.“ Der Regierungschef gab nach und fügte dem Entwurf den Passus von der orthodoxen Kirche als „Nationalkirche“ hinzu.

Hintergrund: Für die christdemokratisch-sozialliberale Regierung geht es ein Jahr vor den Wahlen ums politische Überleben. „Die Menschen sind schon aufgebracht, da ist ein Konflikt mit den Orthodoxen das Letzte, was uns fehlt“, gibt der Vizepräsident der Nationalliberalen Partei, Paul Pacuraru, zu.

Einige Regierungsmitglieder warnen jedoch vor dem Entwurf. „Verfassungsrechtlich ist mit dem Begriff Nationalkirche der Gleichheitsgrundsatz verletzt“, sagt der Minister für Minderheiten und Anwalt Peter Eckstein-Kovacs, der für den Verband der ungarischen Minderheit in der Regierung sitzt. Vertreter nicht orthodoxer Kirchen befürchten eine versteckte Entsäkularisierung des Staates. „Überall versucht man, von der Staatskirche abzukommen“, kritisiert der Bischof der sächsisch-evangelischen Kirche Siebenbürgens, Christoph Klein. „Außerdem besteht die Nation nicht nur aus Orthodoxen.“ Der griechisch-katholische Bischof George Gotiu meint: „Außer auf dem Papier gibt es keine Gleichheit zwischen den Kirchen. Von unseren mehr als 2.000 Kirchen haben wir nur eine Handvoll zurückbekommen.“

Gotiu spielt auf den Konflikt zwischen Orthodoxen und Griechisch-Katholischen an. Die griechisch-katholische Kirche wurde 1948 von den rumänischen Kommunisten verboten. Ihr Eigentum, darunter etwa 2.000 Kirchen, bekamen die Orthodoxen und erfüllten dafür die Rolle von Handlangern: Vor 1989 waren Partei, Kirche und Geheimdienst Securitate eng verflochten. Bis zuletzt: Der Partriarch Teoctist hatte dem Diktator Ceausescu am Tag vor seinem Sturz ein Telegramm gesandt und ihn zum Kampf gegen das revoltierende Volk ermutigt.

Diese Staatstreue behielten die Orthodoxen nach 1989 bei. Orthodoxe Würdenträger segneten in den letzten zehn Jahren jede Regierung. Nachdem die Führung der orthodoxen Kirche im vergangenen Januar im Konflikt mit Bergarbeitern vermittelte, machte die Regierung die Zusage, den Bau einer Megakathedrale in Bukarest staatlich zu finanzieren.

Hinter solchen Verflechtungen sieht der Bukarester Publizist Daniel Barbu ein Grundproblem: „Das orthodoxe Christentum gilt der rumänischen Gesellschaft nicht als Glauben, sondern als Gesetz“, schreibt er in einem Essay. Der Begriff der Nationalkirche solle der orthodoxen Kirche dafür eine neue Bestätigung liefern. „Der orthodoxe Diskurs umgeht den Umstand, dass die rumänische Gesellschaft eine säkulare ist“, so Daniel Barbu, „und will bei Bedarf als nationale Moral dienen, die auf Fragen antwortet, welche anderswo in die Kompetenz des Politischen fallen.“ Keno Verseck

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