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■ KommentarNotbremse Gauck  Mauerfall-Festakt: Stasi-Beauftragter vertritt Ostdeutsche

Nur ein kurzer Auftritt im Bundestag sollte es sein, doch am Ende wurde aus der Feierstunde zum 10. Jahrestag des Mauerfalls ein Drama mit mehreren Akten. Dabei schien der Rollenplan noch in der vergangenen Woche festzustehen: Am Rednerpult sollte Parlamentspräsident Wolfgang Thierse für alle Deutschen sprechen, Bush und Gorbatschow als Vertreter der zweigeteilten Welt. Die Union hatte Altkanzler Helmut Kohl als Redner durchgesetzt, die anderen schickten ihre Ehrenpräsidenten ins Rennen: Genscher, Modrow, Waigel. Nur an die Hauptfiguren des 9. November dachte keiner.

Erst der empörte Aufschrei des ehemaligen Bürgerrechtlers Friedrich Schorlemmer erinnerte die Parteien daran, worum es beim Festakt eigentlich geht. Die Staatsmänner, die in die Volksvertretung eingeladen worden waren, hatten den Fall der Mauer nur als Zaungäste aus der Ferne verfolgt. Das Volk aber, das den bewaffneten NVA-Soldaten vor zehn Jahren Auge in Auge gegenüberstand, sollte draußen bleiben – ein Affront gegen alle Ostdeutschen, die sich wieder einmal als Bürger zweiter Klasse fühlen mussten.

Um sich neuen Ärger im Bundestag zu ersparen, wollte die SPD nicht mehr am Programm rütteln – trotz heftiger Kritik von Bürgerrechtlern. Das mochte der grüne Koalitionspartner nicht mittragen. Ein gefundenes Fressen für CSU und PDS, konnten sie doch dem Bundeskanzler wieder einmal eins aufs Auge drücken. Schröders geplanter Auftritt entwerte die Feierstunde des Bundestages, wetterte CSU-Mann Michael Glos. Wiederum waren es die Ostdeutschen, die im Parteiengezerre an den Rand gedrückt wurden.

Nachdem sich das Namenskarussell in den vergangenen Tagen immer schneller gedreht hatte, zogen die Parteien gestern die Notbremse: Nun soll der Stasi-Beauftragte und ehemalige Bürgerrechtler Joachim Gauck den Festakt retten. Dessen umgehende Zusage machte nur umso deutlicher, wie peinlich das Parteiengezänk der vergangenen Tage war. Andere Bürgerrechtler wie Jens Reich hatten längst entnervt abgewunken.

Eigentlich sollte die Feierstunde an den Mauerfall erinnern, der Ost und West wieder zusammengebracht hat. Doch die Debatte um die Rednerliste hat letztendlich vor allem gezeigt, wie weit beide Seiten noch immer voneinander entfernt sind. Nicole Maschler

Bericht Seite 6

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