piwik no script img

Absurde Palmen

■ Ulrich Waller inszeniert Becketts „Glückliche Tage“ in den Kammerspielen

„Weite versengte Grasebene, die sich bis in die Mitte zu einem kleinen Hügel erhebt. Hänge, die nach vorn und beiden Bühnenseiten sanft, nach hinten steiler bis zum Bühnenboden abfallen. Größte Einfachheit und Symmetrie. Grelles Licht.“ So beschreibt Samuel Beckett die Bühne für seinen 1961 uraufgeführten Zweiakter Glückliche Tage. Winnie steckt bis zur Taille in dem Hügel, Willie liegt dahinter, vom Publikum immer nur teilweise zu sehen.

Ulrich Waller hatte für seine Kammerspiel-Inszenierung wohl vor, es anders zu machen. Das hat er auch gemacht, aber warum, wird nicht unbedingt ersichtlich. Götz Loepelmann malte ihm ein hinlänglich geschmackloses Palmenstrandpanorama auf die drei Bühnenwände, in der Rückwand öffnet sich eine Tür hin zu einem strahlenden Blau, auch der Fußboden hat diese Farbe, und in der Mitte des Raumes steht eine schmuddelige Badewanne. Ein zeitgemäßes Sinnbild eines verlorenen Paradieses – wie vor 40 Jahren eine versengte Grasebene?

Zweifel. Für Barbara Nüsse als Winnie ist es natürlich prima, sich hier frei bewegen zu können; zwar mimt sie eine Gehbehinderung, aber immerhin. Und wo Willie eigentlich rückwärts in sein Loch kriechen soll, steigt Peter Franke offenbar noch sehr agil auf eine Leiter und guckt unvermittelt von hinten über die Palmenwand in den Zuschauer-saal. Soviel Mobilität bekommt diesem Ehepaar, das den Abglanz eines Lebens spielt, nicht besonders gut – respektive: Dafür, dass der Regisseur die Figuren mühsam dem Erd-reich entwunden hat, fällt ihm nicht besonders viel ein, was er nun mit ihnen anstellen soll. Zumal die großartige Barbara Nüsse ohnehin immer dann am großartigsten ist, wenn sie sich ganz auf ihr Minenspiel beschränkt.

Ulrich Waller wollte vielleicht, dass Glückliche Tage, dieses noch hoffnungsvollste Stück Becketts, nicht mehr so sehr nach absurdem Theater ausschaut. Den unbändig-zarten Humor des Autors kitzelt er leider viel zu selten hervor. Und dass Requisiten wie Sack und Sonnenschirm – an Seilen herabgelassen – mit dem billigen Geräusch einer elektronischen Bass-Drum ohne Gespür für Timing auf dem Bühnenboden auftreffen – das ist absurd. Ralf Poerschke

8., 9., 15. bis 17. November, 20 Uhr, Kammerspiele

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen