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Lucky Punch in höchster Not

Nach dem in dieser Höhe glücklichen 4:0 gegen Hertha BSC kann Eintracht Frankfurts Coach Jörg Berger eine wenig befreiter in die Zukunft blicken  ■   Von Klaus Teichmann

Frankfurt (taz) – „Wir sind zurückgekommen!“ In der Pressekonferenz nach dem Spiel gegen Hertha BSC konnte Eintracht-Trainer Jörg Berger wieder einmal von einer vollbrachten Rettung Rechenschaft ablegen. Mit 4:0 hatten die Frankfurter gerade die Berliner Hertha abgefiedelt. Die Talsohle mit acht sieglosen Spielen scheint vordergründig durchschritten, und Berger darf friedlicheren Zeiten entgegenblicken: „Jetzt müssen wir erst einmal abschalten und zur Ruhe kommen.“

Dies scheint auch bitter nötig. Mit ihrer Negativserie mutierten die Frankfurter binnen weniger Wochen vom Tabellenführer zum Abstiegskandidaten. Auf Platz 17 fand man sich vor dem Spiel gegen die Hertha wieder. Sechsmal in Folge hatte die Eintracht verloren, dazu das Pokal-Aus beim zweitklassigen 1. FC Köln – selbst bei dem für seine Launen berühmten Club absoluter Minusrekord in der 100-jährigen Geschichte. Jörg Berger, als Retter nach dem letztjährigen Klassenerhalt scheinbar unantastbar wie ein Denkmal, sah sich plötzlich bissiger Kritik ausgesetzt. Die lokale Presse rechnete dem Wundermann in derber Manier vor, was sein Logis im örtlichen Kempinski den Verein im Monat kostet. Doch Berger durfte bleiben – der Kredit aus der Rettungsmission war noch nicht aufgebraucht.

Mit Hertha BSC spielte glücklicherweise der maßgeschneiderte Aufbaugegner für malträtierte Eintracht-Seelen im Waldstadion vor. Dabei verlief das Spiel längst nicht so eindeutig, wie es das Ergebnis nahe legt. Bisweilen erlebt auch der analytischen Exzessen aufgeschlossene Fußball-Beobachter Spiele, deren Verlauf sich einer kausal abgeleiteten Erklärung weitgehend versperrt. So eines war das am Samstag.

Die Berliner dominierten von Beginn an, keine Spur von Champions-League-Müdigkeit. Ungeordnet und ohne taktisches Konzept, dazu genauso verunsichert, wie man sich das von einer seit zwei Monaten sieglosen Mannschaft vorstellt, präsentierte sich dagegen der Gastgeber den 28.000 Zuschauern. Irrläufe durch das Mittelfeld, fehlende Zuordnung im Defensivverband, kollektives Stolpern im Angriff. Angetrieben von seinem Besten, Darius Wosz, kam der Gast immer wieder vornehmlich durch den für Preetz aufgebotenen Ilja Aracic zu guten Torgelegenheiten – doch Torwart Nikolov hielt an diesem Tag einfach alles, später sogar einen von Kjetil Rekdal getretenen Elfmeter. Nach gut einer Viertelstunde setzte sich dann Frankfurts Stürmer Chen Yang auf links durch und seine Hereingabe lochte Guie-Mien zur Führung ein. Kaum zu erklären. Allenfalls ein Lucky Punch.

Es folgte Guie-Miens obligatorischer Salto, der wegen einer fiebrigen Erkältung diesmal in der B-Note etwas zu wünschen übrig ließ, choreografisch passend jedoch vor der eigenen Trainerbank stattfand. „Für den Trainer“, sagte Guie-Mien später. Kurz darauf verwandelte Ralf Weber einen direkten Freistoß. Diesmal fiel die Erklärung leicht: Keeper Gabor Kiraly war schuld. Erneute fünf Minuten später wiederholte Yang seinen Sololauf über die linke Seite, diesmal war Jan-Age Fjörtoft zur Stelle. Erklärung diesmal: Noch ein Lucky Punch.

Keine halbe Stunde war gespielt und die deutlich unterlegene Mannschaft führte 3:0. Die Spannung war früh aus dem Spiel gewichen, denn dass die Berliner heute kein Tor schießen würden, war bald klar. „Ich bin froh über die vierzehntägige Pause“, bekannte deren Coach Jürgen Röber, „denn wir müssen uns jetzt auch geistig erst einmal erholen.“ Die Tore, die man in den Spielen zuvor verpasst hatte, habe man eben heute gemacht, meinte Berger lapidar. Wenigstens ein Erklärungsversuch, wenn auch eine altbackene Phrase.

Die Schwächen im Spielaufbau dürften Berger aber kaum entgangen sein. Trotz einiger gelungener Angriffszüge kann von einer Wende kaum die Rede sein. Rolf-Christel Guie-Mien und vor allem Horst Heldt sind immer noch nicht in der Lage, die einschneidenden Weggänge von Thomas Sobotzik und Bernd Schneider zu kompensieren. Während Guie-Mien zumindest torgefährlich ist, blieb Heldt bislang jeden Nachweis seiner Fähigkeiten schuldig. Doch er scheint zumindest willig. Um das angeschlagene Selbstbewusstsein aufzupäppeln, schnappte er sich nach des Schiedsrichters Elfmeterpfiff kurz vor Schluss den Ball, an dem auch Kapitän Ralf Weber herumzerrte. Doch Heldt gab das Leder einfach nicht mehr her und traf zum Endstand. Jan-Age Fjörtoft verlieh später der Erleichterung aller Ausdruck: „Unser letzter Sieg ist schon 100 Jahre her.“

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