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Der Alptraum Gesundheitsreform

In der Gesundheitspolitik geht nichts mehr. Die CDU verweigert sich einem Gespräch mit der Regierung und will stattdessen heute ein eigenes Papier vorlegen    ■ Von Annette Rogalla

Berlin (taz) – Das üble Ende ist absehbar: „Die Gesundheitsreform ist klinisch tot, mausetot.“ Nichts geht mehr für Hermann Kues, CDU-Gesundheitspolitiker; weder werde die Union sich mit der Regierung zu Gesprächen zusammensetzen, noch „werden wir nach dem Scheitern im Bundesrat den Vermittlungsausschuss anrufen“. Erst wenn Gesundheitsministerin Andrea Fischer (Grüne) ihren Gesetzentwurf einstampft, ist die Opposition im Gegenzug bereit, über eine gemeinsame Reform zu reden. „Wir müssen aber ganz neu anfangen“, sagte Kues gestern zur taz.

Welchen Kurs die CDU künftig einschlägt, entscheidet heute der Bundesvorstand der Partei. Als Diskussionsgrundlage wird Kues ein Strategiepapier präsentieren, das er gemeinsam mit den CDU-Sozialpolitikern Wulff und Lohmann erarbeitet hat. Darin heißt es: „Wenn niemand mehr bereit ist, kleine Risiken selbst zu schultern oder zumutbare Eigenbeteiligungen zu leisten, stehen für den Ernstfall die notwendigen Mittel nicht mehr ausreichend zur Verfügung.“ Bei den Arzneimittelzuzahlungen schlägt Kues vor, das an die Packungsgröße gekoppelte System aufzugeben. Jeder Patient solle einen prozentualen Anteil vom Packungspreis tragen. Über die Höhe der Zuzahlungen wollte sich Kues nicht äußern, „aber ich rechne mit einer Mindestsumme und einer Obergrenze“.

Künftig sollen gesundheitsbewusste Patienten belohnt werden – etwa durch höhere Kassenleistungen. Kues denkt an eine Art Bonussystem: Wer regelmäßig zu Vorsorgeuntersuchungen gehe, könne damit rechnen, dass seine Krankenkasse einen höheren Kostenanteil im Krankheitsfalle übernehme. Im Jahr 2001, pünktlich zur nächsten Bundestagswahl, will die Union ein Gesetz vorlegen, mit dem das Gesundheitssystem rundum erneuert werden soll. CDU-Sozialexperte Ulf Fink erklärte auf Nachfrage die CDU lasse derzeit prüfen, wie die Krankenversicherung umstrukturiert werden könne.

Überlegt wird, nur eine Grundversicherung für gesetzliche Versicherte zu gewährleisten. Wer darüber hinaus Psychotherapie oder anderes in Anspruch nehmen möchte, müsste sich zusätzlich versichern. Diese Idee würde das deutsche Gesundheitssystem allerdings radikal verändern. Dann zahlten nicht mehr Junge für Alte, Gesunde für Kranke und Singles für Familien, gleichgültig wieviel jeder besitzt und wieviel Hilfe er benötigt.

Ein solcher Bruch wäre mit der SPD nicht zu machen. Zwar soll deren Sozialfrontmann Rudolf Dreßler dem Vernehmen nach Geheimgespräche mit dem vormaligen Gesundheitsminister Horst Seehofer (CSU) führen, aber nur, um die Union doch noch für die rot-grünen Reform zu erweichen.

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