■ Deutschland Tagebuch: 9. Nov. 1989: Wahnsinn
Der Tag: 18.53 Uhr: Günter Schabowski gibt zum Ende der ZK-Pressekonferenz eine neue Reiseregelung bekannt: „... wir (haben) uns dazu entschlossen, heute, äh, eine Regelung zu treffen, die es jedem Bürger der DDR möglich macht, äh, über Grenzpunkte der DDR auszureisen ... Die Genehmigungen werden kurzfristig erteilt.“ Schabowski datiert die Regelung eigenständig auf „sofort“ vor. Das DDR-Fernsehen überträgt live. Die Bürger machen sich auf den Weg.
20.30 Uhr: Am Grenzübergang Bornholmer Brücke stauen sich Ostberliner und fordern die Öffnung der Grenze.
21.20 Uhr: Um die Lage zu entspannen, werden einige DDRler durchgelassen und bekommen einen Ausbürgerungsstempel auf den Pass.
22.30 Uhr: Der Druck vor dem Schlagbaum an der Bornholmer Brücke wird immer größer. Die Grenzer öffnen die Tore und stellen die Kontrollen ein.
0.02 Uhr: Alle Grenzübergänge zwischen den beiden Stadtteilen sind geöffnet. Am Brandenburger Tor tanzen die Menschen auf der Mauer.
Schlagzeile in der taz: „Unbändige Freude“
Schlagzeile in Neues Deutschland: „Viel Verkehr an Grenzpunkten“
Worte im Herbst:
1. „Mauerfall“
2. „Wahnsinn“
3. „Dialog“
Parolen der Wende:
1. „Wir sind das Volk“
2. „Vorschlag für den 1. Mai: Die Führung zieht am Volk vorbei“
3. „Visafrei bis Hawaii“
Schlagzeilen der Wende: Die taz-Hitliste
1. „16 Millionen bleiben drüben“ (11. 9. 89)
2.„Überstunden im Reisebüro Honecker“ (2. 10.)
3. „Krenz reist als erster – nach Moskau“ (23. 10.)
4. „Die SED krenzt Honecker aus“ (19. 10.)
5.„Oh Gott! Bald CSU in der DDR?“ (31. 10.)
Die Neues Deutschland -Parade:
1. „DDR – wertvollste Errungenschaft in der Geschichte des deutschen Volkes“ (2. 10.)
2. „Kollektivleiter erprobt neue Form der Stimulierung“ (26. 10.)
3. „Miteinander reden und die Dinge zum Guten wenden“ (30. 10.)
4. „Unser reiches geistiges Leben ist das Werk Hunderttausender Bürger“ (16. 9.)
5. „Unser Schiff zieht seinen Kurs fest und stolz dahin – bis zum Sieg“ (21. 9.) Ende des Tagebuchs bed
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