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Mahathir will es jetzt wissen

■ Malaysias Premierminister kündigt Wahlen an. Die Opposition hat großen Zulauf. Doch zum Sieg wird es vermutlich nicht reichen

Vizepremier Abdallah Badawi singt auf einer neuen CD patriotische Lieder, die seinem Chef gewidmet sind

Bangkok (taz) – Ans Aufhören denkt Malaysias Premierminister Mahathir Mohamad noch lange nicht: Der dienstälteste Regierungschef Asiens hat gestern vorzeitig Parlamentswahlen ausgerufen. Obwohl seine Amtszeit eigentlich erst im Juli 2000 ausläuft, sollen die MalaysierInnen voraussichtlich schon Ende des Monats ihre Stimme abgeben.

Nach den bizarren politischen Skandalen des letzten Jahres versprechen die Wahlen so spannend wie nie zu werden: Nachdem der ehemalige Vizepremier Anwar Ibrahim wegen angeblicher sexueller Verfehlungen ins Gefängnis geworfen und dort vom damaligen Polizeichef verprügelt wurde, hat die bisher stark zersplitterte malaysische Opposition großen Zulauf erhalten. Niemand glaubt zwar, dass Mahathirs Regierungskoalition, die seit der Gründung Malaysias an der Macht ist, die Wahl verlieren könnte. Doch ihre Zweidrittelmehrheit ist erstmals ernsthaft gefährdet.

Seit Wochen bereits brodelte die Gerüchteküche in Kuala Lumpur, doch dann kam die Entscheidung sehr überraschend. Am Dienstag hatte „Dr. M“, wie der Premier in Malaysia genannt wird, in letzter Minute eine lange geplante Auslandsreise abgesagt. Grund für die plötzliche Entscheidung: „Ich habe lange auf eine Eingebung gewartet“, erklärte Mahathir am Mittwoch vor Journalisten, „gestern hatte ich eine Eingebung.“ Er wolle noch vor dem Ramadan wählen lassen, um den heiligen Monat nicht durch durch respektlose Verleumdungen im Wahlkampf entweihen zu lassen, sagte er. Der Ramadan beginnt am neunten Dezember.

Viele Malaysier glauben allerdings, dass es noch einen anderen wichtigen Grund für die schnelle Wahl gibt: Ab Januar erhalten rund 650.000 junge Leute ihre Wahlberechtigung. Viele Jugendliche sind empört über die Behandlung Anwars, der nach einer ersten Verurteilung zu sechs Jahren Gefängnis derzeit wegen angeblicher homosexueller Kontakte erneut vor Gericht steht. Anwar streitet die Vorwürfe strikt ab.

Seine Ehefrau Wan Azizah hat inzwischen die „Nationale Gerechtigkeitspartei“ gegründet, die bei den Wahlen antreten wird. Ihr haben sich prominente BürgerrechtlerInnen angeschlossen. Zweite Gewinnerin könnte die konservative Muslimpartei PAS werden, die einen islamischen Staat anstrebt. Eine noch stärkere Stellung des Islam in Malaysia lehnen besonders die chinesischen (30 Prozent) und indischen (10 Prozent) Minderheiten ab.

Die Regierung baut darauf, dass die Malaysier die Anwar-Affäre vergessen und stattdessen dankbar für die positive wirtschaftliche Entwicklung sind. Mahathir wurde in den letzten Wochen nicht müde, den Erfolg seiner umstrittenen Wirtschaftspolitik zu preisen: Er hatte die Sparprogramme des Internationalen Währungsfonds, die auch Anwar befolgen wollte, strikt abgelehnt und stattdessen unter anderem strenge Währungskontrollen eingeführt. Finanzminister Daim Zainuddin prophezeite für dieses Jahr ein Wachstum von 4,3 Prozent.

Mit vielen schönen Einfällen versucht die Regierung derzeit, die Wähler für sich einzunehmen: So wird das Fernsehen demnächst eine Serie über das verdienstvolle Leben Mahathirs ausstrahlen. In dieser Woche stellte Vizepremier Abdullah Badawi zudem eine neue CD mit zehn patriotischen Liedern vor, die dem Premier gewidmet sind und die Liebe zur politischen Führung fördern sollen.

Jutta Lietsch

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