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Ein gigantisches Bestechungspaket

Mit umgerechnet 315 Milliarden Mark will Japan definitiv den Weg aus der Rezession finden. Ein unnötiger Kraftakt, der die gerade begonnenen Reformen bremst  ■   Aus Tokio André Kunz

Naht der Wahlkampf, dann her mit der Staatskasse für eine stattliche Bestechung der Klientelen! Unter diesem Motto hat die japanische Regierung am Donnerstag ein neues Konjunkturprogramm aufgesetzt, das mit 18 Billionen Yen (etwa 315 Milliarden Mark) dotiert ist. Mehr als ein Drittel davon wird in den Bausektor fließen und damit die wichtigsten Wahlspender für die regierende Koalition aus Liberaldemokraten (LDP), Liberalen und der Neuen Komeito Partei freundlich stimmen.

„Es ist eine Schande“, jammert Yasushi Kudo, Chefredakteur der Wirtschaftszeitschrift Ronso. „Gerade zu dem Zeitpunkt, da die Wirtschaftskreise und die Öffentlichkeit bereit sind, die Dinge neu anzupacken, tritt die Regierung auf die Bremse.“ Kudo hatte in seiner Zeitung ein lebhaftes Forum für und wider die Wiederbelebung der japanischen Wirtschaft initiiert.

Tatsächlich bedeutet das Konjunkturpaket, das das neunte seit 1993 ist, einen Rückschritt für Japan. Rund 100 Billionen Yen (etwa 1,75 Billionen Mark) hat die öffentliche Hand innerhalb von sechs Jahren zur Stimulierung der Konjunktur ausgegeben, aber damit nur mäßige Erfolge erzielt. Die diesjährige Aufhellung an der Börse und in wachstumskräftigen Industriezweigen kam mehr durch grundlegende Reformen im Finanzsektor als durch die öffentliche Freigebigkeit zustande. Wichtige Impulse lieferten besonders junge Unternehmer, die neue Geschäftsfelder rund um das Internet erschließen.

Bis vor kurzem schien die Regierung diesen Reformkurs tatkräftig zu stützen und mahnte bei den krisengeschüttelten Sektoren Finanzen, Auto, Stahl, Vertrieb und Bauindustrie den Abbau ihrer berkapazitäten an. Den Unternehmen, die diesem Kurs gefolgt sind, muss das jüngste Stimulierungspaket wie eine Ohrfeige vorkommen. Rund ein Drittel oder 6,5 Billionen Yen (113 Milliarden Mark) werden die Regierungsparteien nämlich für den Bau von neuen Brücken, Bahnlinien, Konzerthallen und Schulhäusern in ländlichen Gebieten ausgeben. Profitieren wird davon außer den Baukonzernen – die die wichtigsten Wahlspender der LDP und der Liberalen Partei sind – niemand.

Mit mehr Sympathie werden die Unterstützungsbeiträge für kleine und mittlere Betriebe kommentiert. In diesen Sektor werden wahrscheinlich rund 35 Milliarden Mark fließen, um die Konkurswelle und die Arbeitslosigkeit zu bremsen. „Die Regierung verfolgt eine doppelte Strategie“, sagt John Neuffer, Politikanalyst am Forschungsinstitut von Mitsui Marine Life Insurance. Einerseits dürften die großen Konzerne Personal abbauen, dafür stütze man aber die kleinen und mittleren Unternehmen, die mit dem Geld eben diese arbeitslos werdenden Personen aufnehmen sollten. Auf diese Weise werde der „Restrukturierungs-Tiger“ nicht mit voller Wucht aus dem Käfig gelassen. Denn das hätte eine Arbeitslosenrate von über 8 Prozent und ein Massensterben bei den kleinen und mittleren Unternehmen zur Folge gehabt.

In einem Wahlkampfjahr versucht die Regierungskoalition, solch ein tristes Konjunkturszenario mit allen Mitteln zu vermeiden. Nach dem Atomunfall von Tokaimura und einem A-Bomben-Versprecher eines Regierungsmitgliedes ist die Popularität des Kabinetts Obuchi von 48 auf 32 Prozent gefallen. Der Preis für neue Wählergunst ist hoch. Eine Verschuldung in Höhe von 120 Prozent des Bruttoinlandsprodukts wird Japan schon am Ende dieses Fiskaljahres ausweisen, und trotzdem wird die öffentliche Hand entgegen dem Trend in Europa und den USA stärker belastet.

Erstmals sah sich die Ratingagentur Standard & Poors zu einer Warnung genötigt. Sie mahnte die Regierung Obuchi, die Steuermilliarden möglichst wirkungsvoll einzusetzen.

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