: Schwere Geschütze im Kino-Kampf
■ Hamburgs Kinolandschaft ist noch nicht, sie wird erst: mit Cinemaxxen und Multiplexen
Die vielbeschworene Erlebnisgesellschaft, an Hamburgs Kinolandschaft ist sie lange vorübergegangen. Zu erleben gab es natürlich schon etwas, vor allem in den kleinen, unabhängigen Kinos auch eine Vielzahl von Matineen, Werkschauen und Veranstaltungen rund um die Kinofilme herum. Aber um die verlorene Zuschauergeneration der über Dreißigjährigen im großen Stil fürs Kino zurückzugewinnen, genügen inzwischen die Filme allein nicht mehr. Dazu braucht es ein ansprechendes Drumherum, und das hatte sich bei der Flebbe-Kinokette nur in dem Springbrunnen im Holi-Foyer und der kleinen Bar im Passage-Kino materialisiert. Bei der Ufa beschränkten sich die Erlebnisse lange ganz auf die Vorfreude beim Popcornkauf.
Das wird sich ändern. Am kommenden Wochenende eröffnet die Ufa das inzwischen vollständig umgebaute Grindel-Kino. Mit einem großzügigen Foyer und sechs modernst ausgestatteten Kinosälen will die Kette alte Schachtelkino-Zeiten vergessen machen. Zugleich lassen Ufa und Flebbe synchron die Grundlagen für ihre wirklich schweren Geschütze im Kampf um die anspruchsvollen Kinogänger jenseits der Dreißig hochziehen: An die Stelle ihres inzwischen abgerissenen und wirklich nur beschönigend so genannten Ufa-Palastes setzt die Ufa einen auch premierentauglichen Kino-Komplex mit zehn technisch hochgerüsteten Sälen und 3400 komfortablen Plätzen. Und die Flebbe-Kette plant in Hamburg gar ihr Vorzeige-Objekt: Am Dammtor entsteht das „Filmfestspielhaus Cinemaxx Hamburg“ mit acht Sälen und 2700 Plätzen. Flebbe-Sprecher Thomas Schulz ist sich sicher: „Dieses Kino wird in Deutschland seinesgleichen suchen.“ Die Eröffnung beider Komplexe ist zeitgleich auf den Herbst 1996 terminiert.
Ob in Essen, Hannover oder anderswo: Wo immer in Deutschland bislang ein Kinokomplex vom Cinemaxx- oder Multiplex-Format entstand, hat er in kürzester Zeit die gesamte Kinolandschaft der Stadt durcheinandergewirbelt. Ob sich allerdings die beiden Groß-Ketten im Kampf gegeneinander übernehmen, das muß nicht unbedingt die Sorge des Zuschauers sein. Qualitativ hochwertige Vorführungen der neuesten Hollywood-Produktionen bieten beide Ketten, und darauf kommt es hier an. Wer sich jedoch für anderes und für mehr als das interessiert, dem kann doch ein bißchen mulmig werden. Denn es ist nicht ausgeschlossen, daß die noch mächtiger werdenden Ketten Hamburgs unabhängige Programmkinos zwischen sich zerdrücken.
Innerhalb der Hamburger Kinoszene jedenfalls ist die Besorgnis groß. Welcher Betreiber kann, versucht sein Kino zu vergrößern, um selbst mehr Marktmacht zu erhalten. Das Abaton etwa baut gerade einen dritten Kinosaal. In den Zeise-Schubladen liegen Pläne, beim Zustandekommen des geplanten Erweiterungsbaus der Zeise-Hallen die Platzanzahl glatt zu verdoppeln. Und die kleineneren Kinos suchen sich zumindest durch Filmreihen und Kooperationen weiter inhaltlich zu pofilieren.
So soll in Hamburg der Frankfurter Weg vermieden werden. Dort herrscht inzwischen die Kino-Einfalt dessen, was zeitgleich überall in Deutschland zu sehen ist. Erfahrungen zum Beispiel in Essen zeigen allerdings, daß intelligent geführte, sich auf ihre Individualität besinnende unabhängige Kinos gegen die Komplexe durchaus bestehen können. In Essen war vor vier Jahren ein Riesen-Cinemaxx mit 5300 Plätzen in 16 Sälen eröffnet worden. Trotzdem setzte sich ein unabhängiger Betreiber durch, indem er von Anfang an auf Unterscheidbarkeit setzte. Statt Major-Produktionen spielte er „kleine“ Filme, zudem setzte er auf den Charme der jeweiligen Besonderheiten seiner Kinos.
Das scheint ein gangbarer Weg zu sein. Die AG Kino-Press zumindest, die Zeitschrift der Vereinigung der deutschen Programmkinos, sieht in Essen den Beweis erbracht, „daß nicht nur das moderne High-Tech-Kino, sondern ganz offenbar auch das traditionelle, schöne Kino mit Stil (eigenem Stil!) vom Publikum goutiert wird“.
Dirk Knipphals
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