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Simone de Beauvoir

Ihren Anhängerinnen gilt das Buch als Bibel des Feminismus, der Papst setzte es auf den Index: Simone de Beauvoirs Hauptwerk „Le deuxième sexe“ entzweit die Leserschaft. In ihm beschreibt Beauvoir die Unterdrückung der Frau in der Gesellschaft als Ergebnis überholter Rollenbilder. Die Biologie der Frau werde dazu benutzt, sie auf die angeblich „natürliche“ Mutterrolle festzulegen. Die streitbare Französin plädierte als Zusammenfassung ihrer Befunde für das Recht auf Abtreibung und die lesbische Liebe. Ein Skandal, der Beauvoirs Schrift 1949 binnen einer Woche an die Spitze der Verkaufslisten katapultierte.

1908 geboren, gehörte die Tochter aus gutem Hause zur ersten Generation von Akademikerinnen. Ihr Studium an der Pariser Sorbonne schloss Beauvoir als Zweitbeste ihres Jahrgangs ab – überholt nur vom Kommilitonen Jean-Paul Sartre. Eine Rollenverteilung, die in der Lebens- und Arbeitsgemeinschaft mit dem Schürzenjäger ihre Fortsetzung fand: Obwohl neuere Studien Sartres Beitrag zum Existentialismus relativieren und wesentliche Teile seiner Philosophie Beauvoir zuschreiben, blieb sie doch stets die „Frau an seiner Seite“.

Während Frauenrechtlerinnen wie der US-Amerikanerin Betty Friedan „Das andere Geschlecht“ in den Sechzigerjahren als Standardlektüre galt, setzte in den Achtzigerjahren zunehmend Kritik an Beauvoirs feministisch zweifelhafter Verbindung mit Sartre und ihrer ambivalenten Haltung zum hitlerfreundlichen Vichy-Regime ein.

Fünfzig Jahre nach Erscheinen des „Anderen Geschlechts“ tut sich die feministische Debatte schwer mit Beauvoirs historischer Rolle. Die Geburtstagsfeier, zu der ihre Biografin Alice Schwarzer im Oktober nach Köln geladen hatte, ließ die Versammelten – darunter Bestsellerautorinnen wie Benoite Groult und Marlene Streeruwitz – ratlos zurück. Eine mögliche Antwort gab die französische Theoretikerin Elisabeth Badinter: „Simone de Beauvoir hat uns eine Spur hinterlassen, in der eine Frau aufrecht gehen kann.“

Streng wissenschaftlich wollen Expertinnen wie Badinter, Kate Millett und Margarete Mitscherlich-Nielsen „Le deuxième sexe“ an diesem Wochenende auf einem Kolloquium der Katholischen Universität Eichstätt unter die Lupe nehmen.

Beauvoir hatte die Frage nach ihrer Rolle für sich selbst längst beantwortet: „Ich hielt mich nicht für eine 'Frau‘, ich war ich.“

Simone de Beauvoir hat die kritische Debatte ihres Werks nicht mehr erlebt. Sie starb am 14. April 1986. Nicole Maschler

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