: Die fetten Jahre sind endgültig vorbei
■ Radio Bremen muss sich nach einem Beschluss der Ministerpräsidenten-Konferenz auf Etat-Kürzungen um ein Drittel einstellen / Grüne sprechen von „schwarzem Tag“ für Radio Bremen
Radio Bremen geht es an den Kragen. Mit den Stimmen des Saarländischen Ministerpräsidenten Peter Müller (CDU) und Bremens Bürgermeister Henning Scherf (SPD) fiel gestern auf der Jahrestagung der Ministerpräsidenten in Bremen eine folgenschwere Entscheidung. Die Mittel für die kleinen Sender sollen drastisch gekürzt werden. Derzeit werden 1,9 Prozent der ARD-Netto-Gebühreneinnahmen an die kleinen Sender umverteilt. Bei Radio Bremen macht das immerhin 81 Millionen Mark des Gesamtetats von 182 Millionen aus. Bis zum Ende des Jahres 2005 muss der Prozentsatz aber linear von 1,9 auf ein Prozent fallen, beschlossen jetzt die Minister. Das ist ein Jahr schneller als noch gestern gedacht. Nach einer Modellrechnung von Radio Bremen bedeutet das, dass der Sender mit 41,5 Millionen Mark weniger auskommen müsste. Als Ausgleich dafür wurden noch einmal 13 Millionen Mark mehr zum Umverteilen versprochen – allerdings bis zum Jahr 2005 befristet und für alle finanzschwachen Sender zusammen.
Außerdem, so der Beschluss der Ministerpräsidenten, „gehe man davon aus“, dass die ARD einen Beitrag zur Funktionsfähigkeit der kleinen Sender leiste. Rechtsverbindlich ist das natürlich nicht – und die ARD-Oberen haben es gestern vermieden, klare Statements zur Solidarität zwischen den Sendern abzugeben. In einer Protokollerklärung der Länderchefs wird der Appell wiederholt und eine Neuregelung des Fernsehvertragsschlüssels angemahnt. Nur unter dieser Bedingung hatten Scherf und Müller zugestimmt.
Der Fernsehvertragsschlüssel regelt, mit wieviel Prozent Programmanteil die einzelnen Sender sich am ARD-Programm beteiligen. Bisher ist Radio Bremen mit 2,5 Prozent eingeplant. Nach dem gestrigen Beschluss ist klar, dass dieser Prozentsatz weiter sinken wird – auf ein Prozent, lauten die Schätzungen. Bei RB wird befürchtet, dass Bremen in der ARD damit „nicht mehr spürbar“ sei.
Auch die Möglichkeiten zur Mitbestimmung innerhalb der ARD werden zu Ungunsten Radio Bremens verändert. In ihrer nächsten Sitzung wollen die Länderchefs beschließen, dass die Anzahl der Stimmen je nach Größe der Landesanstalten vergeben werden. Bisher hatte jeder Sender eine Stimme – der große WDR genausoviel wie das kleine RB.
Radio Bremen sprach gestern von einer “dramatischen Lage“. Der neue Intendant Heinz Glässgen teilte mit, es sei nun „unumgänglich“ , in „erheblichem Umfang“ Stellen abzubauen, beim Programm „tiefe Einschnitte“ vorzunehmen und mit anderen Sendern zu kooperieren. Ohne finanzielle Unterstützung durch die ARD sei der Umstrukturierungsprozess „nicht zu leisten“. Die Personalratsvorsitzende Barbara Schleich sagte, „die Politiker vernichten ohne Not Arbeitsplätze“. Man fühle sich „im Stich gelassen“.
Auf die Frage, warum er für den Beschluss gestimmt habe, antwortete Henning Scherf: „Weil wir uns als kleines Land nicht gegen den Rest der Welt stellen können“. Die kleinen Sender hätten nun ein „ganz schweres“ Stück Arbeit vor sich. „Sie müssen abschmelzen – aber bitte sozialverträglich“, bat er.
Von einem „schwarzen Tag für Radio Bremen“ redete gestern der grüne Bürgerschaftsabgeordnete Hermann Kuhn. Vom Sender werde „nur ein Torso“ übrigbleiben. Es sei absehbar, dass als Nächstes die Existenzberechtigung des Senders angezweifelt werden würde. cd
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