Mit voller Kraft seitwärts

■  Bei den Koalitionsverhandlungen zwischen CDU und SPD bleiben Einzelheiten des Sparkurses noch immer strittig. Finanzsenatorin Fugmann-Heesing räumt inzwischen neue Milliardenlöcher ein

So einfach war es dann doch nicht. Diesmal wollten sich CDU und SPD gleich zu Beginn der Koalitionsgespräche den dicksten Brocken aus dem Weg räumen – die Finanzpolitik. Womöglich lasse sich in nur einer Verhandlungsrunde ein Kompromiss finden, hatten die Unterhändler vollmundig erklärt. Nachtsitzungen jedenfalls sollte es nicht mehr geben.

Jetzt mussten die Koalitionäre doch wieder Sitzfleisch beweisen. Nach einem sechsstündigen Spitzengespräch unter 48 Augen suchten die Parteichefs Eberhard Diepgen und Peter Strieder am Samstag flugs das Weite. CDU-Generalsekretär Volker Liepelt und SPD-Geschäftsführer Ralf Wieland durften der Presse verkünden, was bei dem Palaver just am 58. Geburtstag des Regierenden herausgekommen war: nichts. Gestern taten die Unterhändler daher, was sie eigentlich vermeiden wollten: Sie trafen sich zu einer Sitzung, die bis in den späten Abend dauern sollte. Der Ausgang war bis Redaktionsschluss nicht abzusehen.

Auf eine Fortsetzung des Sparkurses hatten sich CDU und SPD zwar schon in ihren Sondierungsgesprächen verständigt, über das Tempo sind die Regierungspartner aber noch uneins. Finanzsenatorin Annette Fugmann-Heesing (SPD) hatte eigentlich angestrebt, die Lücke zwischen den laufenden Ausgaben und Einnahmen des Landes bis zum Ende der Wahlperiode ganz zu schließen. Dazu müsste die Neuverschuldung nächstes Jahr um 650 Millionen Mark verringert werden. Zwischenzeitlich war auch von einer Reduzierung um 450 Millionen Mark als möglichem Kompromiss die Rede.

Inzwischen dürften diese Zahlen aber bereits Makulatur sein: Nach dem Karlsruher Richterspruch zum Finanzausgleich ist weniger denn je vorhersehbar, welche Einnahmen das Land Berlin vom Jahr 2005 an überhaupt noch zu erwarten hat.

Außerdem musste Fugmann-Heesing am Freitag einräumen, dass im Haushalt 1999 ein Loch von drei Milliarden Mark klafft. Das Land konnte sich nicht von so vielen Grundstücken und Unternehmensbeteiligungen trennen, wie bei den Planungen veranschlagt war. Der Verkauf des städtischen „Tafelsilbers“ neigt sich schon mangels Masse dem Ende zu. Gleichwohl möchten die Koalitionäre im kommenden Jahr erneut 2,3 Milliarden Mark per „Vermögensaktivierung“ einnehmen – eine Luftbuchung, wie es scheint.

Während die Finanzsenatorin in dieser dramatischen Lage erst recht einen Anreiz zum Sparen sieht, glauben ihre Kritiker offenbar, unter diesen Umständen seien alle Anstrengungen ohnehin vergebens. CDU-Generalsekretär Liepelt mahnte am Wochenende erneut, die Sparpolitik dürfe nicht „die Chancen Berlins verspielen“. Es sei denkbar, den Abbau der Neuverschuldung „stärker zu strecken“. Womöglich könne die Finanzplanung auch erst bei der Schlussrunde der Koalitionsverhandlungen festgezurrt werden, die am kommenden Sonntag beginnen. Schließlich kommen aus den einzelen Politikfeldern finanzielle Ansprüche auf den Haushalt zu. So hat die Arbeitsgruppe Wissenschaft beschlossen, die Zahl der Studienplätze von 85.000 wieder auf 100.000 zu erhöhen.

In den Verhandlungen wollten CDU und SPD auch gleich die Eckpunkte des Haushalts für das kommende Jahr festlegen. Vor der Wahl war der Etatbeschluss an Unstimmigkeiten bei Kultur und Polizei gescheitert. Eine Mogelpackung bleibt das Zahlenwerk in jedem Fall. Schließlich sind in dem 40-Milliarden-Etat – zusätzlich zu den ungeklärten Verkäufen – weitere 1,2 Milliarden Mark offen, die noch in konkrete Sparmaßnahmen umzusetzen sind. Einen Teil dieser Arbeit will der neue Senat dem Parlament überlassen.

Beim Personal immerhin gab es schon am Samstag eine kleine Einigung: Künftig sollen bevorzugt höher dotierte Posten wegfallen. Außerdem wird jenen Senatoren, die den Personalabbau verzögern, das Geld bei den Sachausgaben gestrichen. Ralph Bollmann