Moskau verstärkt seine Offensive

■  Die russische Armee dringt in die tschetschenische Rebellenhochburg Bamut ein und rückt weiter auf Grosny vor. Dabei wurden angeblich 200 tschetschenische Kämpfer getötet

Grosny/Moskau (AFP/AP/rtr) – Ungeachtet wachsender internationaler Kritik haben russische Truppen am Wochenende ihre Offensive gegen Tschetschenien verstärkt. Nach der Einnahme der zweitgrößten tschetschenischen Stadt Gurdermes flog die russische Luftwaffe nach eigenen Angaben ihre bislang heftigsten Angriffe gegen die abtrünnige Kaukasus-Republik und tötete dem Generalstab zufolge mehr als 200 tschetschenische Kämpfer. Tausende Menschen flohen bei eisigen Temperaturen.

In der Nacht zu gestern wurde die Hauptstadt Grosny erneut stundenlang bombardiert. Russische Truppen drangen in die Rebellenhochburg Bamut ein. Die russische Armee stieß zangenförmig auf das seit Wochen belagerte Grosny vor: Gestern befanden sich die Truppen nach tschetschenischen Angaben in unmittelbarer Nähe des Scheich-Mansur-Flughafens im Norden der Stadt.

Zur Situation in Bamut sagte der Sprecher der tschetschenischen Präsidentschaft, Sajid Selim Abdulmuslimow, noch kontrollierten die russischen Truppen den Ort nicht vollständig. Am Samstag hätten tschetschenische Einheiten drei Angriffe russischer Truppen abgewehrt. Diese beschießen Bamut bereits seit Wochen.

Präsident Boris Jelzin und Regierungschef Wladimir Putin erörterten gestern in Moskau die Lage mit Blick auf das am Donnerstag in Istanbul beginnende Gipfeltreffen der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), an dem Putin teilnehmen wird. Er hatte am Samstag ein Treffen des Sicherheitsrates zu Tschetschenien geleitet. Dabei bezeichnete er die Offensive als „moralisch gerechtfertigt“. „Wir werden die Situation unabhängig regeln, aber wenn die internationale Gemeinschaft die Situation vor Ort sehen will, hat sie dazu das Recht“, sagte er mit Blick auf den OSZE-Gipfel, der wahrscheinlich vom Tschetschenien-Konflikt dominiert wird.

In einem Telefonat mit UN-Generalsekretär Kofi Annan verteidigte Putin den russischen Feldzug. Annan hatte Russland zuvor vorgeworfen, weit über das Ziel der Vernichtung von Terroristen hinausgegangen zu sein und unschuldige Zivilisten zu töten. Auch Frankreichs Präsident Jacques Chirac kritisierte das russische Vorgehen. Mit dem Feldzug mache Moskau einen „tragischen Fehler“, sagte Chirac am Samstag.