piwik no script img

Gegenwehr erfolgreich klein geredet

■ Sind Steuermillionen für Privat-Uni-Ausbau gut investiertes Geld? Bei Diskussion wurden alte Argumente ausgetauscht

Die Debatte um die Ansiedlung einer Privatuniversität in Bremen-Grohn ist so gut wie tot. Die International University (IUB) kommt, auch Kritiker haben sich mit den 230-Millionen-Mark-Subventionen durch das Land Bremen langsam abgefunden. Die Argumente jedenfalls wiederholen sich – so auch am Mittwochabend im Großen Hörsaal der Universität Bremen. Rund 350 Menschen bevölkerten den Saal, um den Worten der Promis zu lauschen, die auf dem „Spiegel-Studentenforum“ zusammengesammelt worden waren. Thema: „Steuer-Millionen für private Elite-Unis?“.

Recht homogen gab sich das Streiterpodium – den drei Befürwortern der neuen „International University Bremen“ saßen als Kritiker gerade einmal der alte AStA-Vorsitzende Sven Golchert und der Wirtschaftsprofessor Wolfram Elsner gegenüber. Das studentische Publikum unterstützte durch akademisches Tischeklopfen und zustimmendes Geraune zwar die Kritiker, doch als es später ans Diskutieren ging, verharrte die Nachwuchselite in sprachloser Leichenstarre oder verhaspelte sich im bes-ten Fall in belanglosen Fragen. Die Professoren bestritten die Publikums-Debatte.

Podiumsleiter Martin Doerry, stellvertretender Chefredakteur beim Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“, holte alles aus den Kontrahenten heraus, was noch zu holen ist. Doch bei den Akteuren Jürgen Timm (Uni-Präsident), Willi Lemke (SPD-Bildungssenator) und Fritz Schaumann (IUB) sitzen die Standardzitate langsam nach den gebetsmühlenartigen Wiederholungen der letzten Monate.

Schaumann und Timm hoffen zwar auf Konkurrenz der zwei Bildungseinrichtungen, doch auf das Gegenüber lässt man – „gegenseitig befruchten, befruchten“ – nichts kommen. Der Kooperationsvertrag zwischen den beiden ist fast fertig, und jede Institution wird ihren Schnitt dabei machen: Die Uni als Dienstleister für die IUB, solange Labors und Hochtechnologie noch gemietet werden müssen. Die IUB profitiert im Gegenzug vom Know-How der bestehenden Bildungseinrichtung. Vorurteile gegenüber der Privatwirtschaft nährte Schaumann erfolgreich mit Worten wie „gute Rendite“, „Leistungselite“ oder „Auswahlsystem der Studierenden nach Leistung“. Doch das lag wohl eher an der Rhetorik denn an den vorsichtig formulierten Inhalten. Timm stach mit seiner Hoffnung hervor, die IUB könne dem Studienplatzmangel der Region Abhilfe verschaffen.

Als ob Willi Lemke das Gerücht untermauern wollte, die Uni sei ihm piepegal und die Bremer Schulen sein Herzblut, behelligte er die Zuhörerschaft mit Beispielen aus seinen Erfahrungen als Schulsenator. Gleich in seinem Eingansstatement der Tabu-Bruch: Es sei leichter, eine neue Universität zu gründen als die bestehende zu reformieren. Eliteuni Grohn? „Ein einfacher Arbeiter würde nicht zwischen ihnen und Studenten der IUB unterscheiden.“ Ansonsten: „totale Begeisterung“ von den Uni-Leistungen. Und: „ganz spannende“ Entwicklungen durch die Neugründung. Oder die Erinnerung: Auch gegen die Ansiedlung von Daimler Benz vor zwei Jahrzehnten habe es Kritik gegeben.

Ex-AStA-Mann Golchert hatte sich der Gesellschaftskritik verschrieben und musste sich immerhin von IUB-Präsident Schaumann anhören, seine Argumentation sei „in der Differenziertheit ziemlich unterentwickelt“. Auch das Wort „Mist“ wiederfuhr dem Staatssekretär a.D., allerdings hatte er da vorsorglich die Hand über das Mikro gelegt. Golchert blieb bei der Fundamentalkritik: Er bemängelte die Umorientierung des öffentlichen Bildungswesens hin zur wirtschaftsnahen Produktorientierung. Er blieb auch skeptisch, ob das Land Bremen nach der Anschubfinanzierung wirklich aus der Mitverantwortung für das neue Projekt entlassen werden kann.

Wirtschaftsprof Elsner diagnos-tizierte, dass sich die parlamentarische Demokratie aus der Mitbestimmung im öffentlichen Bil-dungssystem zurückziehe „besonders hier in Bremen“. Schon jetzt sei absehbar, dass die IUB den Steuerzahler weit mehr als mit 230 Millionen Mark belasten werden: Die Stifter hätten schließlich Möglichkeiten, das angepeilte Stiftungsvermögen zur eigenen Steuerminderung anzuführen. Dabei redete er noch nicht einmal von Geldern aus der Deutschen Forschungsgemeinschaft für die IUB oder die Bundesgelder für den Hochschulbau in Grohn. Sein Fazit: „Das Geld wird auf den falschen Haufen gelegt“.

In der Debatte mit dem Publikum holte Uni-Konrektor Wilfried Müller das Gespräch von der wissenschaftspolitischen Ebene zurück nach Bremen: Der Grundgedanke war, erinnerte er, dass etwas für das strukturschwache und vulkankrisengebeutelte Bremen-Nord getan werden musste. Und eine Universität als neuen Magnet, das sei „die beste Lösung“, auch wenn es ein Unternehmen mit „großen Risiken“ sei. Auf ein Argument verwendeten Befürworter der IUB wie Müller viel Energie: Die 230 Millionen staatliche Mark würden über mehrere Jahre ausgegeben, ein erklecklicher Teil komme aus Investitions- oder Wirtschafts-Töpfen und nicht aus dem Bil-dungsetat, und: der Bildungsetat sei trotz Grohn gestiegen. Das Hauptmotiv der Ansiedlung wurde den ganzen Abend nicht erwähnt: Dass Bremen schnell Geld ausgeben muss, solange es noch welches hat – und solange es als Bundesland noch existiert. Christoph Dowe

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen