: Gummi-Taktik beim Rindfleisch
■ Deutsche importieren kein britisches Rind, halten aber die EU-Kommission hin. Wegen Verbraucherschutz wollen die Bundesländer angeblich eine Strafe in Kauf nehmen
Berlin (taz/rtr) – Die deutschen Gesundheitsminister wollen im Streit um die Importe britischen Rindfleischs noch nicht einlenken. Die zuständige Ministerin in Nordrhein-Westfalen, Bärbel Höhn (Grüne), will angesichts der Unklarheiten zur Gewährleistung des „bestmöglichen Verbraucherschutzes“ im Zweifelsfall auch eine EU-Strafe riskieren, sagte sie gestern im Fernsehsender Phönix. Ähnlich auch die Haltung von Rheinland-Pfalz.
Wahrscheinlicher ist jedoch ein Kompromiss. Denn ein EU-Verfahren kann Jahre dauern, und so lange wollen die Briten mit dem Export ihres Fleisches auf keinen Fall warten. Es könnte also sein, dass die EU ihrerseits auf die Tube drückt: Sie führt die genaue Kennzeichung der Herkunft von Rindfleisch nicht erst wie beabsichtigt in drei Jahren ein, sondern viel früher. Und Deutsche und Franzosen lassen dafür das Fleisch ins Land.
Obwohl sich die Deutschen derzeit genauso weigern wie die Franzosen, britisches Rindfleisch in ihr Land zu lassen, will die EU-Kommission juristische Schritte nur gegen Frankreich einleiten. Deutschland wird „innerhalb der nächsten Tage“ lediglich einen Brief vom für Verbraucherfragen zuständigen EU-Kommissar David Byrne erhalten, kündigte er am Dienstagabend in Brüssel an. In dem Schreiben wird die Bundesregierung aufgefordert, binnen einer „angemessenen Frist“ – gemeint sind zwei Wochen – einen konkreten Zeitplan für die Aufhebung des Embargos zu nennen.
Dass die Deutschen bei gleichem Effekt glimpflicher davonkommen als die Franzosen, liegt an ihrer Gummi-Taktik. Sie stimmen offiziell den Forderungen der Kommission und der Briten zu, bringen dann aber allerhand verbraucherrechtliche und Verfahrensprobleme vor, die noch geprüft werden müssen. Diese Taktik legten die Gesundheitsminister schon auf einem Bund-Länder-Treffen im August in Berlin fest.
Der eigentliche Hintergrund ist dabei durchaus ernst. Laut gestrigen Angaben aus dem Hause Höhn erkranken in Großbritannien derzeit immer noch konstant etwa 3.000 Rinder pro Jahr an BSE – trotz aller Massenschlachtungen. Diese für Experten unerklärlich hohe Zahl deutet darauf hin, dass der Rinderwahn entweder sehr lange Übertragungszeiten hat oder aber derzeit noch unbekannte Übertragungswege benutzt.
Reiner Metzger
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