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Stahlhelm“ ungestört

Weil Niedersachsens Ermittler nicht wissen, was ihre Kollegen in Rheinland-Pfalz machen, hat der Neonazi-Trupp, der sogar Kinder rekrutieren soll, leichtes Spiel  ■   Von Bernd Siegler

Nürnberg (taz) – Die Umtriebe der rechtsextremistischen Vereinigung „Stahlhelm – Kampfbund für Europa“ beschäftigen nun auch die niedersächische Landesregierung. Auf Anfrage des PDS-Landtagsabgeordneten Christian Schwarzenholz soll Glogowskis Truppe erklären, wie sie „eine Fortsetzung der neofaschistischen Aktivitäten“ der dubiosen Organisation zu unterbinden gedenkt. Dabei wird es auch um die Ungereimtheiten im Umgang der Sicherheitsbehörden mit dem Sammelbecken gewaltbereiter Neonazis gehen.

Erst vor wenigen Tagen war an die Öffentlichkeit gedrungen, dass der „Stahlhelm“ nach Erkenntnissen des niedersächsischen Landesamtes für Verfassungsschutz auch Kinder anzuwerben versucht. Die rechte Organisation habe, so Verfassungsschutzchef Rolf-Peter Minnier, einen „Scharnhorst-Bund deutscher Jungen und Mädel“ gegründet, um Kinder und Jugendliche in ihre rechtsgerichtete Ideologie einzubinden. 10- bis 16-Jährige würden in einem vereinseigenen „Spielkreis“, 17- bis 21-Jährige im „Jungstahlhelm“ gedrillt. Im vergangenen Sommer soll der „Stahlhelm“ ein Ferienlager mit 30 Kindern an der Ostsee veranstaltet haben, bei dem auch Schießübungen auf der Tagesordnung standen.

Der „Stahlhelm“ ist derzeit vor allen Dingen in zwei Bundesländern aktiv. Im niedersächsischen Jork (Landkreis Stade) befindet sich auf dem Hof des Rechtsextremisten Günter Drückhammer die Organisationszentrale. Dort finden regelmäßig Kameradschaftsabende und Wehrsportübungen statt. In Rheinland-Pfalz, in der Nähe von Altenglan, werden die Stahlhelm-Aktivisten militärisch gedrillt und ideologisch geschult. Das Schulungsheim „Pfälzer Wald“ ist Schauplatz von Sommerfesten und von Treffen mit Sympathisanten aus Belgien.

Die politische Einordnung der Gruppierung ist beim Bundesinnenministerium unstrittig. Der „Stahlhelm“ sei, so heißt es als Antwort auf eine entsprechende Bundestagsanfrage, eine „rechtsextremistische Gruppierung, deren ideologische Ausrichtung insbesondere von nationalistisch-völkischem, antisemitischem und revisionistischem Gedankengut geprägt ist“. Diese Einschätzung ist eindeutig. Doch die Zuständigkeit von zwei Innen- und Justizministerien – in Mainz und Hannover – für die „Stahlhelm“-Umtriebe macht den Sicherheitsbehörden das Leben schwer.

So beklagt sich Oberstaatsanwalt Helmut Bleh aus Kaiserslautern über eine mangelnde Zusammenarbeit mit den Polizeidienststellen in Niedersachsen. Er hält es für „nicht nachvollziehbar“, dass die Polizei in Stade nicht über die Ermittlungen in der Pfalz informiert worden sei.

Aufgrund derartiger Pannen könne „die Bundesführung des Stahlhelms in Jork ein geradezu idyllisches Leben genießen“, fasst das Hamburger Abendblatt die Unzufriedenheit der Ermittler in Rheinland-Pfalz zusammen.

Der „Stahlhelm“ kann auf eine lange Vergangenheit zurückblikken. 1918 von Weltkriegsveteranen gegründet, hatte die Organisation 750.000 Mitglieder, bevor sie 1934 im Nationalsozialistischen Deutschen Frontkämpferbund aufging. 1951 gründeten Alt-funktionäre den Verein neu. 1958 sagte der damalige Bundeskanzler Konrad Adenauer dem „Stahlhelm“ seine Unterstützung in der „Abwehr des roten Angriffs“ zu.

In den Folgejahren sank die Mitgliederzahl rapide. Daran änderten auch Kontakte zu rechtsterroristischen Gruppen wie der „Wehrsportgruppe Hoffmann“ zu Beginn der 70er Jahre oder eine Zusammenarbeit mit der „Deutschen Volksunion“ seit Anfang der 80er Jahre nichts. 1983 erhielt der inzwischen in „Stahlhelm – Kampfbund für Europa“ umbenannte Verein die Anerkennung der Gemeinnützigkeit. Heute bereitet er dem rheinland-pfälzischen Verfassungsschutz „große Sorgen“. Inzwischen wohl auch dem niedersächsischen.

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