: Nachlässig sexy
„Knarf Rellöm Ism“ rücken mit ihrem Soul-Punk-Songwriting die Möbel gerade ■ Von Barbara Schulz
Knarf Rellöm hat eine neue Band: die Isms. Sie erklimmen die Bühne, schreien, springen, schwitzen, rocken ihren Soul Punk, bis auch noch der Letzte geschnallt hat, worum es hier geht.
Das Album dazu heißt Fehler is King, wurde von Tobias Levin mitproduziert und frisst sich genüsslich in die, ahm, Gehörschnecken des Hörers. Am Anfang steht eine „Revisited“- Version der auf der letzten Knarf-Platte enthaltenen „Autobiographie einer Heizung“. War die Original-Version voller detailfreudig und spielerisch erzählter Kindheits- und Jugenderinnerungen, bezieht sich das Remake eher auf Gegenwärtiges. Die Song-Collagen des neuen Albums wirken parolenhafter, politischer – und auch ausschließender: Da kann und darf sich nicht mehr jeder andocken, wie er will. Da wird der eigene Dunstkreis ausgeleuchtet, wird sich in einer trietzenden Lärm-Collage mit irrwitzigem Schlagzeug-Solo und manischem Geschreie von Gast-„Ism“ Bernadette La Hengst gefragt: „Was ist romantisch für Ted Gaier?“. Da werden zuhauf Elektro- und Sprachschnipsel oder Stimmverzerrer eingebaut, derer sich die Goldenen Zitronen auch gern bedienen (z. B. in „Nicht Mein Verein N.M.V.“/“Ich bin auf dem Weg zu Dir“), wird einer angenehm nachlässigen Sexyness (z. B. „Manche/Andere“) gefrönt, und das ebenfalls auf der letzten Platte enthaltene Lieblingslied „Mr. Blue“ rückt mit Yazoo-Refrain, tollen Geigenarrangements, sanft pluckernden Beats und Kontrabassklängen beim Hörer elegant die Möbel gerade.
Eher geschmäcklerisch tritt dabei der „langweilige Nachmittag für Rockford“ auf, in dem Alfred Hilsberg sich mit Samttimme dafür bedankt, diese großartige Platte auf seinem Label herausbringen zu dürfen. Aber hier wird Spaß ja auch groß geschrieben. „Soul Punk“ und „Hey Everybody“ führen live zu großartigen Momenten, klingen auf Platte aber eher zahm. Doch das ist sehr wohl beabsichtigt: „Im Studio entwickelt man die Songs anders. Konzerte sollen keine Song-Reproduktionen der Platte sein. Man entwickelt die Songs neu, streicht was oder findet was völlig anderes. Ein Song sollte nichts festes sein.“
Viktor Marek, schon zu Ladies Love K. R. Zeiten zum springenden Mitstreiter avanciert, spielt virtuos sämtliche Tasten und Bass, Heinrich Köbberling, der ekstatischste Schlagzeuger der Welt, verdient sein täglich Brot als Berufs-Jazz-Schlagzeuger und genießt die Beweglichkeit: „Die beiden proben ja schon längere Zeit in meiner Wohnung, und da kam es zwangsläufig dazu, dass ich einfach mal mitgespielt habe. Das hat so prima geklappt, dass die zwei mich baten, bei ein paar Stücken auf der Platte mitzuspielen.“
Zusammengehalten wird alles von der charismatischen Stimme Knarf Rellöms, der sich in seinen Texten nach wie vor gern ärgert, in seinem Verein herumpiekt und ein letztes Wort für sich beansprucht: „Nicht nur Texte können politisch sein, auch durch Soundästhetik kann man eine bestimmte Haltung präsentieren. Außerdem ist es wichtig, sich einzumischen, in Leben, Politik und Scheiße.“ Im Mai 2000 fährt die Band auf Einladung des Institudo de Musica nach Kuba, wo mehrere Konzerte geplant sind. Zur Zeit flitzen sie mit „Ism“ Julia im „Space Wagon“ durch Deutschland. Letztens am Telefon berichteten sie von einem Konzert im Schwabenland, das ganz schrecklich war, weil der Sound-Mischer kläglich versagte. Das klappt am Sonntag bestimmt besser, schließlich wollen wir alle ein gelungenes Heimspiel und uns ordentlich im musikalischen Schwitzkasten aufheizen lassen, bevor es wieder raus in die Kälte geht.
Sonntag, 21.15 Uhr, Knust
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