Es darf für Mörder kein Denkmal geben“

■ Israels Oberster Gerichtshof ordnet die Verkleinerung der Grabstätte Baruch Goldsteins an

Kirjat Arba (ta*) – Eine einsame kleine Flamme kämpft im Schrein gegen den hereinwehenden Wind. Jemand muss sie vor einer halben Stunde angesteckt haben. Es ist ruhig am Grab von Baruch Goldstein, „dem Gerechten“, wie die marmorne Inschrift lehrt. Nach jüdischer Sitte auf das Grab gelegte Steine deuten darauf, dass hier Trauernde waren. Vor fast sechs Jahren hatte Goldstein mehrere Maschinengewehrsalven auf eine Gruppe betender Männer gefeuert und dabei 29 von ihnen ermordet. Er selbst wurde noch am Ort des Geschehens getötet.

Goldsteins Witwe stellte einen Antrag auf „Wiedergutmachung“. Miriam Goldstein argumentierte, ihr Mann sei Opfer von Terroristen geworden. Die arabischen Betenden hätten ihn entwaffnet und „gelyncht“ und so ein faires Gerichtsverfahren verhindert. Der Richter lehnte den Antrag ab. Hätten die Muslime schneller reagiert, wären vermutlich viele ihrer Glaubensbrüder gerettet worden.

Das Massaker ereignete sich wenige Monate nach dem Abkommen von Oslo. Für Goldstein rechtfertigte die Bibel eine Vernichtung des Feindes am jüdischen Purim-Fest. In einer israelischen Militäruniform verschaffte er sich Einlass in den muslimischen Teil der Machpela, der Grabstätte der Patriarchen in Hebron. Bei den auf das Blutbad folgenden Unruhen erlagen noch einmal über 30 Palästinenser ihren Wunden. Die damalige Rabin-Regierung reagierte mit Ausgangssperren und schloss die Schuhada-Straße für Palästinenser.

Die Entscheidung gegen eine Beerdigung Goldsteins auf dem jüdischen Friedhof in Hebron, wie es seine Familie wollte, sei eine politische gewesen, heißt es beim israelischen Militärsprecher. Stattdessen fand sich ein Stück Land am Eingang der jüdischen Siedlung Kirjat Arba, nur wenige Meter von Häusern entfernt, in denen einst Opfer des Attentäters lebten. Hinter einem bewachten Eisentor liegt der nach dem jüdischen Fanatiker Rabbi Meir-Kahane benannte Park. Auf diesem neuen „Friedhof“ gibt es bis heute nur das idyllisch gelegene Grab Goldsteins.

„Drei meiner Cousins waren unter den Opfern“, berichtet Achmad, der von seinem kleinen Laden die jüdische Siedlung überblickt. Achmad verbringt gemeinsam mit Abraham, einem aus Marokko stammenden und in Kirjat Arba wohnenden Juden, den Nachmittag in seinem Laden. Die beiden seien „seit vielen Jahren befreundet“ und beherrschen jeweils die Sprache des anderen. Nur – dass Achmad Angehörige bei dem Blutbad in der Moschee verlor, hat Abraham nicht gewusst. Die Männer wollen nicht über Goldstein reden. „Er ist tot, aus – vorbei“, sagt Abraham. Sein palästinensischer Freund nickt. „Wenn er noch lebte, dann könnte man ihn verurteilen. Aber so? Egal was wir tun, ihn interessiert es nicht mehr.“

Vielleicht sollte man den toten Goldstein tatsächlich ruhen lassen. Der Oberste Gerichtshof beschloss am vergangenen Sonntag eine Verkleinerung der Grabstätte aus rechtsstaatlichen Überlegungen. Das Grab dürfe „keine Inspiration für potentielle Mörder“ sein, so die Richter. Das Plateau rings um das eigentliche Grab, ein Waschbecken, eine Spendenbüchse, der Lichterschrein und eine Vitrine für die heiligen jüdischen Bücher sollen abgerissen werden. „Es darf für einen Mörder kein Denkmal errichtet werden“, argumentierte Handelsminister Ran Cohen, auf dessen Initiative das Verfahren geführt wurde. In sechs Monaten soll über die Grabinschrift „der Gerechte“ entschieden werden. Aus Kirjat Arba wurde bereits Protest laut. Es ist absehbar, dass Anhänger des Mörders die abgerissenen Kultgegenstände wieder herrichten werden.

Achmad und Abraham lässt das Spektakel um Goldstein kalt. Ihr friedliches Miteinander funktioniert, weil sie vor strittigen Themen die Augen verschließen. „Gab es jemals eine Periode, in der die beiden Völker friedlich miteinander waren?“, fragt Achmad und beantwortet selbst: „Nein. Und wir werden auch nichts daran ändern.“ Die eigene Familie, eine gute Bildung für die Kinder und Arbeit ist es, was die beiden interessiert. Während der Intifada habe man schon viel verloren: „Mein Sohn kann bis heute nicht fließend lesen“, schimpft er und reicht seinem Freund eine Tasse Tee. Vor der Intifada habe es ein friedliches Miteinander gegeben, erinnert sich Abraham. „Es war für beide Seiten besser.“ Er arbeitet in dem jüdischen Restaurant unmittelbar neben dem Grab der Patriarchen in Hebron. Was er tun wird, wenn die Siedler aus der Stadt evakuiert werden? „Ich werde schon einen anderen Job finden“, sagt er emotionslos lächelnd. Susanne Knaul