Die als Neoliberale Beschimpften

■ Was die Angeklagten zu den Vorwürfen zu sagen haben

Oswald Metzger (Grüne)

Trifft Sie der Vorwurf, neoliberal zu sein?

Nein. Ich ärgere mich aber darüber, wie undifferenziert das Wort verwendet wird. In der aktuellen Debatte wird es als Schimpfwort benutzt und steht als Synonym für soziale Kälte. Mittlerweile hat es fast schon die Wirkung eines Denkverbots, denn jeder Reformgedanke, der mit dem Attribut „neoliberal“ versehen wird, ist dadurch diskreditiert. Damit kommt leider auch alles unter die Räder, was im besten Sinne liberal ist, nämlich politische Ansätze, die sich gegen den Allmachtsanspruch des Staates wenden. Wenn diese Ansätze zum Beispiel im Bereich der Bürgerrechte formuliert werden, hat kaum jemand etwas dagegen einzuwenden. Dasselbe Gedankengut in der Wirtschafts- und Sozialpolitik ist aber sofort „neoliberal“ und somit moralisch verwerflich.

Was ist neoliberal für Sie?

Ich würde jemand als neoliberal bezeichnen, der einen Nachtwächterstaat will, einen Staat, der sich fast komplett zurückzieht und alles dem freien Spiel der Märkte überlässt. Davon abzugrenzen ist der Ordoliberalismus, zu denen die geistigen Väter der sozialen Marktwirtschaft zu zählen sind. Diese Schule unterstützt ausdrücklich staatliche Interventionen für einen sozialen Ausgleich.

Sind Sie neoliberal?

Nach den obigen Differenzierungen zwischen neo- und ordoliberal sehe ich mich nicht so. Wenn mir dieses Etikett aber von Leuten angeheftet wird, denen es in erster Linie um Besitzstandswahrung und Reformverhinderung geht, kann ich gut damit leben.

Christine Scheel (Grüne)

Trifft Sie der Vorwurf?

Der Vorwurf trifft mich ein wenig, weil er so nicht stimmt. Reichtig ist jedoch, dass ich jede Form von Planwirtschaft und Sozialismus ablehne.

Was ist neoliberal für Sie?

Dies bedeutet für mich den völlig freien Wettbewerb, ohne dass der Staat an irgendeiner Stelle ordnungspolitisch eingreift. Eine unsoziale Ellenbogengesellschaft wäre das Ergebnis.

Sind Sie neoliberal?

Nein, ich bin ordoliberal, wenn man Schubladen will. Ich vertrete die Auffassung, dass es Aufgabe des Staates ist, die Rahmenbedingungen für einen Wettbewerb zu schaffen, der monopolistische und gruppenegoistische Machtentfaltung verhindert.

Cem Özdemir (Grüne)

Trifft Sie der Vorwurf?

Ja. Neoliberal wird heute landläufig gleichgesetzt mit sozialer Kälte, Ellenbogenmentalität und Profitsucht. Meine politischen FreundInnen und ich versuchen aber eine Politk zu machen, die genau das Gegenteil von dem ist.

Was ist neoliberal für Sie?

Neoliberalismus bedeutet, dass – im Gegensatz zum Liberalismus – das Prinzip der unbehinderten Konkurrenz in der Wirtschaft durch den Staat eingeschränkt wird. Der Staat hat die Aufgabe, den institutionellen Rahmen zu regeln. Das bedeutet aber nicht, dass der Staat allmächtig und allgegenwärtig eingreifen soll. Die Väter und Mütter der sozialen Marktwirtschaft sind wesentlich vom Neoliberalismus beeinflusst worden. Die modernen VertreterInnen des Neoliberalismus hingegen lassen die soziale Komponente zugunsten des Wettbewerbs häufig zu sehr außer acht.

Sind Sie neoliberal?

Ich tue mich schwer, mich selber in eine Schublade einzusortieren! Doktrinen und Dogmen sind mir von Natur aus zuwider.