: Kalter Kaffee in Kloake
■ An der Bremer Schlachte fand ein Grabungsteam des Landesarchäologen und Uni-Professors Manfred Rech die wahrscheinlich älteste erhaltene Kaffeebohne der Welt
Sensationsfund an der Schlachte: Archäologen fanden gestern bei Grabungsarbeiten die vermutlich älteste erhaltene Kaffebohne der Welt.
Auf dem Grundstück an der Ecke Große Fischerstraße/Schlachte, das seit Zerstörungen im zweiten Weltkrieg als Parkplatz diente, werden gegenwärtig Ausschachtungen für eine neue Bebauung vorgenommen.
Vorher werden, wie in der Altstadt üblich, routinemäßig archäologische Grabungen durchgeführt. Dabei stieß das Team von Grabungsleiter Werner Kahrs auf einen gemauerten Kloakenschacht, der wahrscheinlich die mittelalterliche Entsorgung eines einfachen giebelständigen Hauses darstellt. Das Haus, von dem außerdem der Rest einer Backsteinmauer erhalten ist, wurde vermutlich Mitte des 16. Jahrhunderts erbaut.
Der Kloakenschacht wurde offenbar lange Zeit regelmäßig ausgeleert. Die letzte Verfüllung, die die Archäologen nun fanden, datiert etwa von der Mitte des achtzehnten Jahrhunderts. Sie birgt eine Reihe von aufschlussreichen Funden. Unter Luftabschluss-Bedingungen durch eine darüber liegende Mistschicht nach oben hin abgedeckt, sind diese sehr gut erhalten geblieben.
Neben Teilen von Geschirr und Wasserflaschen enthielt das Sediment eine Reihe sogenannter „Makroreste“: Unter den wenig spektakulären Kirschkernen eben auch die eine Kaffeebohne, die jetzt das Herz von Archäologen und Historikern höher schlagen lässt.
Laut dem Landesarchäologen Manfred Rech ist der Fund von großem sozialgeschichtlichem Interesse: Im außerhalb der alten Stadtmauer gelegenen Stephaniviertel, das damals noch „Buten Bremen“ war, lebten vor allem Handwerker und Kleingewerbetreibende. Dass die schon um 1750 Kaffee tranken, ist überraschend und deutet darauf hin, dass sie so ganz arm nicht gewesen sein können. In Bremer Bürgerhäusern war dagegen zu dieser Zeit der Kaffeegenuss schon verbreitet, wie zahlreiche Funde chinesischer Kaffeetassen im Stadtgebiet belegen. Dem Brockhaus ist gar zu entnehmen, dass in Bremen schon 1673 Europas viertes Kaffeehaus eröffnete.
Für die Kaffeestadt Bremen, so Rech, sei der Fund natürlich etwas ganz besonderes. Zur Beschaffenheit der Bohne kann er aber noch nichts genaues sagen. Der Professor vermutet, dass sie geröstet ist, aber sicher wird das erst zu sagen sein, wenn das Stück gewaschen und getrocknet ist. Erstaunt hat den Historiker, dass es sich um ein relativ großes Exemplar handelt, obwohl zu dieser Zeit der Konsum der kleineren, wilden Kaffeebohnen noch verbreitet gewesen sei. Die gestern gefundene Bohne scheint dagegen bereits von einer Plantage zu stammen.
Neben der spektakulären Kolonialware förderte das Grabungs-team im Verlauf der Grabungsarbeiten ein gut erhaltenenes Fass zutage, das aus der Erbauungszeit des Hauses stammen könnte, aber später „sekundär“ verwendet wurde. Zur Schlachte hin wurden zudem mehrere Mauerreste entdeckt, die auf Holzpfähle gegründet waren, weil das Terrain hier durch die unmittelbare Nähe zur Weser schon zu feucht für ein einfaches Fundament war. not
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen