piwik no script img

Bayern kann Abtreibungspille nicht verhindern

■ Juristische Winkelzüge der Oberbayern halfen nicht – Mifegyne kann bestellt werden

Berlin (taz) – Es sollte der letzte Abwehrkampf der bayerischen Lebensschützer gegen Mifegyne werden. Die Abtreibungspille könne nicht ausgeliefert werden, ließ die oberbayerische Bezirksregierung am Montag verlautbaren, denn der Vertriebsweg verstoße gegen das Arzneimittelgesetz.

Mit ungläubigem Staunen reagierte die Firma Femagen, bei der die Pille seit Montag bestellt werden kann, auf den bayerischen Schachzug. Schließlich war das Arzneimittelgesetz vor einigen Monaten eigens für die Abtreibungspille geändert worden: Der Vertrieb wurde minutiös geregelt, der Weg der Packungen wird lückenlos dokumentiert. In dem Gesetz steht auch, dass das Medikament nur nach Deutschland importiert werden darf, wenn der Empfänger eine staatlich zugelassene Abtreibungseinrichtung ist.

Das klingt sinnvoll, weil nach dieser Regelung nicht jeder selbsternannte Abtreibungsarzt mit dieser nicht risikolosen Pille hantieren kann. Die oberbayerische Bezirksregierung interpretierte in das Gesetz hinein, dass die Firma Femagen das Medikament nicht bekommen dürfe – denn sie sei keine Abtreibungseinrichtung, sondern ein Unternehmen.

Das Unternehmen Femagen fühlte sich gefoppt: Es sei mit Sicherheit nicht die Absicht des Gesetzgebers gewesen, einen Zulassungsinhaber vom Vertrieb auszuschließen. Insofern habe die Intervention der bayerischen Behörden vermutlich ausschließlich politische Hintergründe, mutmaßte Femagen-Chefin Schöttler.

Währenddessen stolperte die Bezirksregierung Oberbayern über ihre eigenen Füße: Als sie nämlich rechtliche Schritte prüfen ließ, stellte sich heraus, dass Femagen den konkreten Vertrieb der Pille über eine andere Pharmafirma abwickeln lassen wollte: Über die Salutas GmbH in Barleben bei Magdeburg, wie Femagen eine Tochter der Hexal AG. Sachsen-Anhalt also ist das zuständige Land, das über den Vertrieb wachen muss, nicht Bayern.

Doch die Sachsen-Anhaltiner ließen sich von den Bayern flugs überzeugen: Dass nun noch eine weitere Firma den Vertriebsweg verlängere, spreche gerade für die bayerische Rechtsauffassung, ließ das Sozialministerium in Magdeburg ausrichten. „Über Femagen haben wir nicht zu entscheiden, aber der Vertriebsweg über Salutas ist problematisch und muss neu organisiert werden,“ teilte Ministeriumssprecher Holger Paech mit.

Inzwischen aber hatte das Bundesgesundheitsministerium in Berlin die Bayern gehörig zurückgepfiffen: „Unzutreffend“ sei dessen Meinung, dass Femagen die Pille nicht vertreiben dürfe. Nur der Vertrieb über den Großhandel und die Apotheken sei durch die Änderung des Arzneimittelgesetzes verboten worden, nicht der über einen Importeur.

Die Bayern zogen zurück: Hans-Werner Merk vom Bayerischen Sozialministerium mußte kleinlaut eingestehen: „Wir sehen kein Problem in dem Vertrieb über Femagen. Das ist eine Rechtsauffassung, die sich geändert hat.“ Auch das sachsen-snhaltinische Problem mit der Vertriebsfirma wird sich wohl regeln lassen: Möglich sei eine Integration der Salutas GmbH in die Firma Femagen, hieß es gestern aus dem Sozialministerium in Sachsen-Anhalt.

Heide Oestreich

Kommentar Seite 12

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen