: Feinheiten für Otto Normalverbraucher
■ Die Hannoversche Hofkapelle weckte zum Auftakt einer neuen Radio-Bremen-Reihe Lust auf Alte Musik
Ein wenig stoffelig kam er daher, der Programmzettel des dritten Konzertes einer neuen Reihe für Alte Musik von Radio Bremen: Weder war angegeben, wann die Komponisten gelebt haben, noch hatte man sich auch nur die geringste Mühe einer kleinen verbalen Einführung gemacht. Da Otto Normalverbraucher weder Johann Abraham Schmierer noch Johann Adolf Hasse noch Johann Bernhard Bach kennt, auch nichts über die stilisierte Verwendung der barocken Tänze in der Form der Ouvertüre weiß, wäre das ganz einfach nett gewesen.
Schmierer ist wahrscheinlich 1660 geboren, sein Todesdatum ist unbekannt. Seine Ouverüre aus „Zodiacus Musici“ hatte er „zu ehrlicher Gemütsergötzung“ gedacht, ihre rhetorisch gewitzte und beseelte Wiedergabe durch die Musikerinnen der Hannoverchen Hofkapelle versprach ein feines Konzert.
Das wurde es auch: Besonders dank der Leiterin und ersten Geigerin Anne Röhrig und der Cellistin Dorothée Palm, die sich die Impulse ihrer brillanten Artikulationen absolut souverän zuspielten. Die anderen, Katharina Huche-Kohn, Bettina Ihrig und Cordula Cordes, ordneten sich da geschickt und homogen ein.
Als am Anfang des 19. Jahrhunderts die Klappen für die Blasinstrumente erfunden wurden, empfanden das weiß Gott nicht alle als Fortschritt. Besonders die sogenannte „Böhmflöte“ wurde als „wahre Gewaltröhre“ gegenüber der zarten Traversflöte abgelehnt. Hört man einen Solisten vom Range Laurence Deans, so ist das noch heute nachvollziehbar. Johann Adolf Hasses (1699 bis 1783) Konzert für Traverso und Streicher erweckte so richtig wieder Lust an den Feinheiten und Differenziertheiten der Alten Musik, so traumwandlerisch sicher und klangschön blies Dean sein Holz.
Weniger beeindruckte der etwas trockene Cembalospieler Bernward Lohr im dem dem ungleich berühmteren Violinkonzert E-Dur nachgebildeten Cembalokonzert BWV 1054, was aber auch am Instrument gelegen haben mag. Nach einer virtuosen Ouvertüre von Johann Berhard Bach ein abschließender Hit: die Ouvertüre in h-Moll BWV 1967 von Johann Sebastian Bach, deren wirbelnder Schlusssatz „Badinerie“ schon die größten Flötisten aus der Puste brachte. Nachdem im Musikfest Interpretationen dieser Art zugunsten spektakulärerer, aber mainstreamförmigerer Gruppen nur noch selten zu hören sind, kann den Aktivitäten von Radio Bremen neue Bedeutung beigemessen werden. Genauestens zeichnete Röhrig den tänzerischen Gundeffekt, um ihn lustvoll zu umspielen. Ute Schalz-Laurenze
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen