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CDU-Schmiergeld: Was wusste Kohl?

Ex-Generalsekretär Heiner Geißler gibt zu: Ja, es gab schwarze Konten. Volker Rühe vor laufender „Tagesthemen“-Kamera ausgerastet, Angela Merkel stinksauer auf den Altbundeskanzler  ■   Aus Berlin Tina Stadlmayer

Der frühere CDU-Generalsekretär Heiner Geißler hat den Bericht der Süddeutschen Zeitung über „schwarze Konten“ bei seiner Partei als im Wesentlichen richtig bezeichnet. Dem Westdeutschen Rundfunk sagte er gestern nach Angaben des Senders: „Es ist so, wie es da drin steht, im wesentlichen, ja. Neben dem Etat der Bundesgeschäftsstelle gab es auch andere Konten, das ist wahr. Das habe ich immer für falsch gehalten, und das muss jetzt eben abgeklärt und diskutiert werden. Das ist aber im Wesentlichen ein parteiinternes Problem.“

Der Vorsitzende des neuen Untersuchungsausschusses zur Parteispendenaffäre, Volker Neumann (SPD), erklärte gestern gegenüber der taz: „Die Sache bekommt eine Dimension, die ich zunächst nicht erwartet habe.“ Wenn es stimme, dass die CDU in der Schweiz ein geheimes Konto für Gelder aus Parteispenden unterhalten habe, dann werde sie „große Probleme“ bekommen.

Auch Christian Ströbele, der für die Grünen im Ausschuss sitzt, sieht voraus: „Jetzt wird es sehr eng für Herrn Kohl.“ Geld aus nicht veröffentlichten Spenden muss nach dem Parteispendengesetz in mehrfacher Höhe zurückgezahlt werden.

Doch damit nicht genug: Es verdichteten sich Hinweise, dass die CDU von verschiedenen Seiten Schmiergelder angenommen habe. Der Untersuchungsausschuss werde sich an die Schweizer Behörden wenden, um Einblick in die Konten zu bekommen, so Ströbele. Bundestagspräsident, Wolfgang Thierse habe die Augsburger Staatsanwaltschaft bereits gebeten, ihre Erkenntnisse an das Parlament weiterzugeben.

Das geheime System des Gebens und Nehmens, mit dem Ex-Bundeskanzler Helmut Kohl die CDU jahrzehntelang zusammenhielt, kommt Schritt für Schritt ans Tageslicht. Die SZ berichtete in ihrer gestrigen Ausgabe, „mit Billigung des damaligen CDU-Chefs Kohl“ habe der CDU-Steuerberater Weyrauch mehrere Treuhandkonten für die Partei angelegt. Noch vor wenigen Tagen hatten CDU-Politiker unisono behauptet, solche Konten habe es nie gegeben. Inzwischen sind außerdem Hinweise auf ein geheimes Konto in der Schweiz aufgetaucht.

Die Staatsanwaltschaft Augsburg, so die SZ, habe „umfangreiches Material beschlagnahmt, das die CDU stark belastet“. Auf einem der Konten sei im August 1991 die Million angelegt worden, die der Waffenhändler Karlheinz Schreiber dem CDU-Berater Weyrauch in einem Koffer übergeben habe.

Bei den Durchsuchungen seien handschriftliche Anweisungen der CDU-Schatzmeisterei entdeckt worden, wonach von den Konten Beträge an Organisationen der CDU überwiesen wurden. Besonders brisant: Häufig finde sich der Hinweis „PV“ auf den Belegen. Das Kürzel steht offenbar für „Parteivorsitzender“. Kohl habe zum Beispiel die Anweisung gegeben, den Parteifreunden in Schleswig-Holstein diskret 300.000 Mark zukommen zu lassen.

Doch was genau wusste Kohl über die schwarze Kasse? Wie das Geld in die Kasse kam, wollte Kohl offenbar im Detail nicht wissen. Auch Wolfgang Schäuble und der damalige Generalsekretär Volker Rühe kümmerten sich nicht darum, mit welchen Methoden Schatzmeister Walther Leisler Kiep die 1989 nahezu bankrotte Partei innerhalb von zwei Jahren finanziell sanierte.

Trotzdem haben sie jetzt schlechte Karten: Denn sie hätten es erfahren können, wenn sie nachgefragt hätten. Allein CDU-Generalsekretärin Angela Merkel ist erst später dazugekommen. Unermüdlich fordert sie heute „alle, die damals Verantwortung hatten, müssen zur Aufklärung beitragen“. Sie erhebt schwere Vorwürfe an die Staatsanwaltschaft: Es sei „unerträglich“, dass die CDU immer noch keine Akteneinsicht bekommen habe. Deshalb könne sie zu den neuen Vorwürfen auch keine Stellung nehmen.

Angela Merkel und viele Unionsabgeordnete sind sauer über den peinlichen Auftritt Helmut Kohls bei der Haushaltsdebatte im Bundestag. Kohl hatte darauf bestanden, dass er noch vor Weihnachten seine Version dem Untersuchungsausschuss darlegen müsse. Auch die Unionsabgeordneten wissen, dass dafür die Zeit viel zu knapp ist. In den ARD-„Tagesthemen“ konnte die ganze Nation außerdem sehen, wie nervös Volker Rühe geworden war. Vor laufenden Kameras rastete er gegenüber dem ARD-Korrespondenten aus und beschimpfte ihn wegen einer Frage nach den Parteispenden als „Fälscher“.

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