■ Nordirland: Unionisten stützen David Trimbles Kurs: Zwiespältig
Es war ein Erfolg, der ihm mehr schadet als nützt. Nordirlands Unionistenchef David Trimble hat nur 58 Prozent seiner Partei hinter sich. Und die unterstützen ihn auch nur deshalb, weil er einen faulen Kompromiss eingegangen ist: Die nordirische Regierung mit Beteiligung von Sinn Féin hat nur dann Bestand, wenn deren bewaffneter Flügel, die IRA, bis Februar mit der Waffenabgabe beginnt. Die Position der Unionisten, die Abrüstung zur Bedingung für die Regierungsbildung zu erklären, hat sich also nicht geändert. Die Partei hat nur eine Verlängerung der Frist abgesegnet.
So kann von dem Durchbruch, von dem die Regierungen in London und Dublin am Wochenende schwärmten, keine Rede sein. Das Ergebnis der Unionisten-Konferenz ist vor allem ein cleverer Schachzug: Die Schuld für ein mögliches Scheitern des Friedensprozesses liegt nun bei Sinn Féin, nicht mehr bei den Unionisten, die – hätten sie den Deal rundweg abgelehnt – nun der Buhmann wären.
Für die Sinn-Féin-Führung ist die Entscheidung eine Katastrophe. Parteipräsident Gerry Adams hatte der Basis den Friedensprozess durch seine Zusage schmackhaft gemacht, dass es keine Abrüstung geben werde – und wenn doch, dann nur als freiwilliger Akt, als Zeichen der Zuversicht in die eigene Strategie. Eine IRA-Waffenabgabe als Vorbedingung für die Regierungsbeteiligung Sinn Féins wird von vielen Mitgliedern beider Organisationen als Niederlage und Demütigung gesehen. Die militantere „Real IRA“ ist in letzter Zeit angewachsen, ungeachtet der Tatsache, dass bewaffnete Aktionen zur Zeit keine Chance hätten, weil sie von der Bevölkerung nicht unterstützt werden.
Doch langfristig könnte sich das ändern, wenn sich der Eindruck durchsetzt, dass die katholische Bevölkerungsminderheit erneut über den Tisch gezogen worden ist. An der Diskriminierung bei der Jobvergabe hat sich in den vergangenen 30 Jahren kaum etwas geändert, wie eine öffentliche Untersuchung vorige Woche festgestellt hat. Die Konzessionen Londons an die Unionisten machen es für Adams & Co. nicht einfacher. Wenn London nun auch bei der versprochenen Polizeireform Abstriche machen würde, wäre dies fatal.
Die einzige Chance ist, die nordirische Regierung so schnell wie möglich einzusetzen – vor allem aber die gesamtirischen Institutionen. Denn die seien der erste Schritt zu einem vereinigten Irland, so hat Adams seiner Basis versprochen. Ralf Sotscheck
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