: AKWs dürfen noch 30 Jahre laufen
■ Bundesregierung einigt sich bei Atomausstiegsgesetz. MdB Ströbele: Juristische Bedenken nur vorgeschoben
Berlin (taz) – Falls es zu keiner Einigung mit der Atomindustrie kommen sollte, wird das „Ausstiegsgesetz“ Laufzeiten für die deutschen Atomreaktoren von etwa 30 Jahren vorschreiben. Dies ist Pressemeldungen und Äußerungen von Bündisgrünen vom Wochenende zu entnehmen.
Bundesumweltminister Jürgen Trittin hat sich am Freitag mit den Spitzen der bündnisgrünen Landtags- und Bundestagsfraktionen getroffen. Dort wurde heftig diskutiert über die Zahl der Jahre, die laut einem kommenden Atom-ausstiegsgesetz den 19 deutschen AKW noch zugestanden werden sollen. Dieses Gesetz soll verabschiedet werden, wenn sich die Bundesregierung und die Betreiber der Atommeiler nicht auf einen Kompromiss zur gesamten Lage der Atomindustrie in Deutschland einigen können.
In einem Rechtsgutachten des Bundesumweltministeriums war die Möglichkeit eines gesetzlichen Stopps der Atomkraft geprüft worden. Ergebnis: 25 Jahre sind genug, um den verfassungsrechtlichen Anspruch auf Schutz des Eigentums zu erfüllen – plus einer bergangsfrist von einem bis drei Jahren (taz vom 18. November). Nun geht die Einigung innerhalb der Regierung aber in Richtung 30 Jahre. Das bestätigte auch die niedersächsische grüne Fraktionsvorsitzende Rebecca Harms in der Berliner Zeitung. Weniger sei in der Koalition nicht durchzusetzen gewesen. Vor allem die SPD sehe das Gesetz als desto Verfassungsgerichts-fester an, je länger die Restlaufzeiten sind, war aus Regierungskreisen zu hören. Zwei Reaktoren – Stade und Obrigheim – müssten eigentlich auch bei einer längeren Betriebsdauer von 30 Jahren noch in dieser Legislaturperiode abgeschaltet werden. Die beiden sollen jedoch eine wahrscheinlich dreijährige Übergangsfrist erhalten.
Bei den Bündnisgrünen waren intern schon die 25 Jahre Laufzeit als zu lang kritisiert worden.
Jürgen Trittin räumte in einem Interview im heutigen Spiegel ein, dass in dieser Wahlperiode kein Atomkraftwerk mehr vom Netz gehen muss – falls es nicht doch noch eine Einigung mit der Atomindustrie in den Konsensgesprächen gibt. Trittin hofft deshalb auf einen Konsens: „Das Angebot lautet: Ausstieg aus der Atomenergie und Einstieg in ein anders Energiesystem gegen Betriebssicherheit für die Restlaufzeiten“, sagt er im Spiegel. Ein zugesicherter möglichst reibungsloser Betrieb und flexible Restlaufzeiten sollen die Atomindustrie zu Kompromissen bewegen.
„Juristische Bedenken müssen herhalten, weil es politisch nicht passt“, sagte hingegen gestern Hans-Christian Ströbele, Jurist und für die Grünen im Bundestag. „Die Angst vor der Entscheidung des Verfassungsgerichts ist unbegründet“, meint er: Wenn die AKW-Betreiber wirklich gegen ein Atomausstiegsgesetz klagen würden, käme es demnach schlimmstenfalls zu einer Verlängerung der Fristen. Eine Schadensersatzforderung in Milliardenhöhe käme überhaupt nicht in Betracht, weil die AKW ja weiterlaufen, bis das Gericht entschieden hat. Nach einem eventuellen Urteil könne das Gesetz zum Ausstieg dann in den entsprechenden Punkten geändert werden, so Ströbele.
Reiner Metzger
Kommentar Seite 10
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