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Opfer von Briefbombe außer Lebensgefahr

■ Polizei ermittelt in Richtung Organisierte Kriminalität. Schutzgelderpressung denkbar

Der 31-jährige Deutschrusse Stanislav K. ist nach mehreren Notoperationen außer Lebensgefahr. Wie berichtet hatte der Mann am vergangenen Samstag schwere Bauchverletzungen durch eine Briefbombe davongetragen. Die Bombe war detoniert, als er einen Brief in einem Hausflur in Tempelhof öffnete. Von den Tätern fehlte gestern noch jede Spur.

Laut Polizeiangaben werden die Ermittlungen nicht mehr von dem für politische Strafaten zuständigen Statsschutz geführt, sondern von der Abteilung Organisierte Kriminalität (OK) beim Landeskriminalamt.

„Briefbombenanschläge sind in Berlin und der Bundesrepublik ein sehr seltenes Tatmittel“, sagte gestern ein Mitarbeiter des Staatsschutzes gestern. In Berlin ist der Referatsleiter der Senatsbauverwaltung, Hanno Klein, im Juni 1991 durch eine Briefbombe ums Leben gekommen. Die Tat ist nie aufgeklärt worden.

Ein halbes Jahr zuvor war ein Pfarrer aus Lichtenberg bei einem Anschlag schwer verletzt worden. Auch der frühere Neonazi Ingo Hasselbach bekam 1993 einen Brief mit Sprengstoff geschickt, der beinahe in den Händen seiner Mutter explodiert wäre.

Dass die Kriminalpolizei im aktuellen Fall des Deutschrussen im Bereich Organisierte Kriminalität ermittelt, findet der Leiter des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen (KFN), Christian Pfeiffer, plausibel.

Pfeiffer kennt den konkreten Fall zwar nicht. Er weiß aber, dass Schutzgelderpresser ein Opfer stellvertretend für andere unter Druck setzen. Durch eine Bombe in einem Brief werde nicht nur das Opfer eingeschüchtert, sondern auch dessen Umfeld. Es gehe dabei nicht darum, jemanden gezielt zu töten, zumal nicht gesagt sei, dass der Brief von dem Adressaten selbst geöffnet werde. Es gehe vielmehr um die Drohung, dass das jederzeit auch anderen passieren könne.

In Östereich hatte eine Briefbombenserie viele Jahre für Schrecken gesorgt. Eine der Bomben hatte dem damaligen Wiener Bürgermeister Helmut Zilk im Dezember 1993 mehrere Finger zerfetzt. Absender der Bomben war die so genannte Bajuwarische Befreiungsarmee, die den Ausländern im Lande den Kampf angesagt hatte.

Verurteilt wurde jedoch nur ein angeblicher „Einzeltäter“. Der 49-jährige Vermessungsingenieur Franz Fuchs wurde im Frühjahr 1999 in Graz zu lebenslänglicher Haft verurteilt. Kurz vor seiner Festnahme hatte sich der Mann beide Hände weggessprengt, weil die explosive Landung zu früh losgegangen war.

Plutonia Plarre

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