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Nach dem Sturm

■ Wo der juristische Grobmotoriker Schill hinlangt, fallen Späne. „Die Sterne“ und „Concord“ solidarisieren sich mit einem Opfer

Zynische Stimmen würden ihn momentan wohl als den größten Entertainer auf der norddeutschen Medienbühne bezeichnen: Der Hamburger Amtsrichter Schill treibt weiter unbeirrt seine makabere Rechts-Show in Gerichtssälen und Fernsehprogrammen. Das Interesse an den Opfern seiner Verurteilungsattacken bleibt angesichts der Mediendominanz der Diva im Talar oft auf der Strecke: Der Schill-geschädigte Sozialarbeiter Andreas B. bekam dessen tiefschwarzen Humor in Form einer 16-monatigen Freiheitsstrafe ohne Bewährung wegen „Nötigung von Polizeibeamten“ zu spüren. Das in den Folgemonaten erlassene Berufungsurteil von vier Monaten auf Bewährung wurde von den weiteren Exzessen des juristischen Grobmotorikers überschattet, ebenso wie die Erkenntnis, dass selbst dieser Rechtsspruch noch ein „vollkommen überzogenes Strafmaß“ darstellt.

Eine Soliveranstaltung in der Flora soll über den aktuellen Stand des Prozesses informieren. Auftakt des Abends bildet der Dokumentarfilm Alles muss raus! von Irene Bude und Olaf Sobczak. Im Fokus ihres Interesses steht die Polemik um und auf den Fliesen des Hauptbahnhofs, die erstarrten Fronten zwischen Drogenszene und Bahnhofsmanagement. Ort des Geschehens ist für die beiden jungen Regisseure zwar ein anderer, das Problem jedoch das gleiche: Um Hauptbahnhof sowie Rote Flora schwebt eine Wolke von Klischees, die eine objektive Bewertung der Situation unmöglich macht. Alles muss raus! versucht die trügerischen Tiefen dieser Objektivität so weit wie möglich auszuleuchten und macht sich dabei auf die Suche nach O-Tönen vom Krieg um den öffentlichen Raum.

Musikalische Unterstützung erhält die Solidaritäts-Aktion von Prominenz aus mittlerweile Old-School-Hamburg: Nach Tocotronic und Blumfeld beweisen auch Die Sterne, dass sie den Blick fürs Politische nicht verloren haben. Das Songzitat „Es hat keinen Sinn zu warten, bis es besser wird, das bisschen besser, ist das Warten nicht wert“ ist wohl kein Motto, das an diesem Abend von Bedeutung ist, versprechen doch die Erlöse des Konzerts direkte Besserung der Prozesskostenkasse von Andreas B. Neben Hamburgs liebsten Himmelskörpern werden auf der Bühne Concord, schon seit 1995 nicht mehr ganz so neu in der Hamburger Schule, ungehemmt ihren Ella-Fitzgerald- und The Amps-Fanatismen nachgehen. Genug popkulturelles Programm jedenfalls, um selbst einem gereizten Richter Entspannung zu garantieren. Philip Oltermann

heute (nicht 4.12.), 19.30 Uhr, Rote Flora

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