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Entdämonisierung gesellschaftlicher Macht

■ Nachwuchs für die Bewegung: In „Die widerspenstigen Töchter“ plädieren Susanne Weingarten und Marianne Wellershoff für eine neue Konzeption feministischer Politik

Die Frauenbewegung der 70er Jahre hat sich totgelaufen. Zwar haben die Feministinnen vieles erreicht, doch ist gesellschaftliche Gleichberechtigung von Männern und Frauen weiterhin Utopie. Die Feministinnen der 70er-Jahre-Bewegung beharren auch am Ende des Jahrhunderts dogmatisch auf ihren damaligen Analysen, betonen die Opferrolle der Frauen in einer weiterhin von Männern dominierten Gesellschaft und dämonisieren gesellschaftliche Macht, anstatt daran teilhaben zu wollen. Statt für Nachwuchs für die Bewegung zu sorgen, schrecken sie damit jüngere Frauen ab.

So die provokante Analyse von Marianne Wellershoff und Susanne Weingarten in ihrem Buch Die widerspenstigen Töchter. Der Untertitel „Für eine neue Frauenbewegung“ macht deutlich, welchen Anspruch die Autorinnen verfolgen: Nicht weniger als eine neue Diskussion über Frauenpolitik und Gleichberechtigung möchten sie lostreten und damit eine modernen Ansprüchen entsprechende Bewegung in Gang setzen.

Dass die Anfänge dazu längst gemacht sind, führt das Buch mit einer Bestandsaufnahme vor: In Interviews, Porträts und Berichten über Frauen und Projekte, die sich mit allen Gesellschaftsbereichen – von Politik bis Jobhierarchie, von Körperwahrnehmung bis zum Cyberfeminimus – auseinander setzen. Nur „eine kollektive Identität und ein kollektives Label“ seien noch nötig, so die Autorinnen, um die vielen Ansätze zu einer neuen, dritten Frauenbewegung zu vereinen. Was diese erreichen soll und wo ihre Betätigungsfelder liegen, das wird von den Autorinnen in ihrer Analyse unmissverständlich gefordert: Frauen zu helfen, einen gleichberechtigten Teil der gesellschaftlichen Macht zu übernehmen, steht an erster Stelle. Erst dann, so die Autorinnen, werden Frauen in ihren unterschiedlichen gesellschaftlichen Positionen nicht mehr vorrangig als Frauen, sondern als Individuen wahrgenommen und akzeptiert werden – und sind tatsächlich gleichberechtigt.

Genau an diesem Punkt sei die alte Frauenbewegung gescheitert: Indem sie Macht als kapitalistische und patriarchale verteufelt und gesellschaftliche Gegenentwürfe von und für Frauen zwar eingefordert habe, doch in den letzten 30 Jahren nicht liefern konnte, habe sie gerade jüngere Frauen im Umgang mit der gesellschaftlichen Realität nicht unterstützt, sondern deren Ablehnung gegenüber der Bewegung geschürt.

Das Buch will provozieren – und damit Schub für einen neuen Aufbruch in die Gleichberechtigung bieten. Dafür muss die Diskussion auch öffentlich stattfinden: Beide sind heute im FSK zu Gast und sprechen über ihre Thesen.

Karen Schulz

Susanne Weingarten, Marianne Wellershoff: Die widerspenstigen Töchter. Für eine neue Frauenbewegung. Kiepenheuer & Witsch, 1999, 269 S., 24,90 Mark. Diskussion mit den Autorinnen heute im FSK von 17-19 Uhr auf 93,0 (Antenne), 101,4 (Kabel).

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