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Der homosexuelle Mann ... ■ Von Elmar Kraushaar
... liest gerne oder aber gar nicht. Das eine mag man annehmen wie das andere, sieht man die gewaltigen Papierberge in den Schwulenkneipen ausliegen. Allein in der Subkultur der Hauptstadt kursieren bis zu zehn verschiedene Blätter monatlich, fast alle schwarzweiß, fast alle im Zeitungsformat, alle umsonst. Die meisten Blätter finanzieren sich dank Aids: mit großformatigen Anzeigen von Apotheken, Pharmakonzernen, Versicherungen und Bestattungsunternehmern, dazu die unzähligen Schwanzfotos mit 0190-Nummern für den „sicheren“ Sex am Telefon.
Da bleibt nicht viel für den redaktionellen Teil, und der sieht immer mehr oder weniger gleich aus: die Filme, Bücher und CDs der Saison, Politpropaganda für Homo-Ehe und schwule Militärs, ein paar unvermeidliche Nervensägen wie André Eisermann, Donato Plögert oder Biggy van Blond, dazu knallharte Facts über die wichtigsten Partys, die besten Schönheitschirurgen, die schönsten Diskriminierungen.
Um derlei Vielfalt noch effektiver zu gestalten und optimal zu vermarkten, haben sich vor ein paar Monaten fünf der Gratis-Magazine aus Köln, Hamburg, Frankfurt/M., München und Berlin zusammengeschlossen. Doch die Kooperation währte nicht lange, nach drei Monaten trennten sich vier vom bösen fünften, von Sergej. Der Berliner mit russischem Anklang und deutsch-englischem Sprachspiel war in einer Broschüre für die Werbewirtschaft vorgeprescht und hatte darin zu viel von der schwulen Psyche verraten: „Der abgewerteten Rolle in der öffentlichen Meinung entspricht ein kompensatorischer Reflex, der nach der eigenen Aufwertung durch die Art des Lebensstils verlangt.“ Meint: Wenn Schwule in der Beliebtheitskala der Heteros schon den letzten Platz einnehmen, dann aber mit Stil. Präziser fasste der Sergej-Konkurrent Siegessäule die marktstrategische Analyse zusammen: „Schwule kleiden sich deshalb so schick, weil der Analverkehr so schmutzig ist.“ Daraus folgerte Sergej: „Durch eine gezielte Marketingausrichtung auf die Motivation des schwulen Käufers, der Abgrenzung gegenüber dem Mainstream und Ausgleich des Status-Defizits, lassen sich Produkte vermarkten, die die Entfaltung der Persönlichkeit versprechen. In diesem Zusammenhang spielt der Preis keine Rolle.“ Das war den vier Kompagnons zu viel, diese PR-Offensive wollten sie nicht mittragen: „Wir halten das Menschenbild, das hier gezeichnet wird“, schäumte der Herausgeber des Kölner RIK, Matthias Eiting, in seinem Dezember-Editorial, „nicht nur für falsch, sondern auch für eine dümmliche und unglaubwürdige Anbiederung an potenzielle Werbekunden.“ Und: „Diese menschenverachtenden Sätze machen den Eindruck, als sei die gesellschaftliche Entwicklung der letzten 30 Jahre komplett an den Sergej-Machern vorbeigegangen.“
Wie jetzt? Wo die Sergej-Werber Recht haben, haben sie Recht: Schwule zahlen jeden Preis für jeden Mist. Und sind stolz wie Bolle, wenn ihnen die Werbekaufmänner den Konsumenten-Verdienstorden 1. Klasse an rosa Spange verleihen. Das soll nicht wahr sein? Lesen denn die beleidigten schwulen Zeitungsmacher nicht mehr ihre eigenen Gratis-Produkte?
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