Die SPD denkt über Reichtum nach

Von einer Umverteilung gesellschaftlichen Vermögens hält die SPD nichts. Aber sie fordert einen kritischen Reichtumsbericht, damit die Bürger wissen, warum wer die Macht innehat   ■   Aus Berlin Christian Füller

„Solange Sie kein Vermögen und ein schwaches Einkommen haben, reden die Reichen vor Ihnen ungern über Geld und um so lebhafter über Fragen, die mit Geld nicht zu lösen sind, z. B. über Kunst: empfinden Sie das als Takt?“ (Max Frisch)

Werner Schieder ist verbittert. Und das liegt nicht etwa daran, dass er als Sozialdemokrat in Bayern wenig zu lachen hat. „Es ist doch barer Unsinn, dass die Vermögenssteuer rechtswidrig sein soll“, schimpft er beim Bundesparteitag der SPD. Er beschwört seine Genossen, „die Vermögenssteuer nicht aus der Hand geben“. Aber es hilft nichts. Anders als der Finanzbeamte aus Weiden, der im Haushaltsausschuß des Bayerischen Landtags sitzt, folgt die Mehrheit der knapp 500 Delegierten ihrem Parteivorsitzenden.

Auf dringendes Bitten Gerhard Schröders lehnte der SPD-Parteitag es ab, große Vermögen wieder einer Steuer oder Abgabenpflicht zu unterwerfen. Seit 1997 wird eine Steuer auf Grund- und Immobilienvermögen in Deutschland nicht mehr erhoben. Damit blieb gestern der lange erwartete Showdown um die soziale Gerechtigkeit, um die Seele der sozialdemokratischen Partei in Berlin aus.

Die SPD stimmte mehrheitlich vielmehr für einen unverbindlichen Fünf-Punkte-Katalog, der auch Reiche dazu bringen soll, ihr Scherflein zum Sparpaket beizutragen. „Wir streben an“, so stellt der angenommene Antrag folgende Punkte in Aussicht: das Stiftungsrecht zu reformieren; eine europäische Lösung für Kapitalertragssteuern zu suchen; die Maßnahmen gegen Steuerhinterziehung zu verbessern; den Investivlohn zu fördern und Grundbesitz künftig marktnäher zu bewerten.

Den endgültigen Ausschlag gab das Bitte-Bitte des Kanzlers: „Ich habe die herzliche Bitte“ – „worum ich euch bitte, ist ...“. Gerhard Schröder flehte seine Parteigenossen förmlich an, „dass wir das nicht wieder kaputtmachen, was wir erreicht haben“. Er meinte die neu gewonnene Stärke nach einem katastrophalen Sommer der Sozialdemokratie – wie etwa die Wahlniederlagen in fünf Bundesländern.

Franz Müntefering führte vor, wie er die ins Schlingern gekommene SPD wieder auf Kurs bringt. Früh um neun, die Delegierten hatten kaum Platz genommen, hämmerte er ihnen ein: „Ihr dürft nur beschließen, was machbar ist! Die SPD muss die Meinungsführerschaft in der Gesellschaft übernehmen! Wir wollen wieder gewinnen!“

Die Parteilinke stellte zwar 30 Anträge, die unter anderem folgende Forderungen enthielten: Wiedereinführung der privaten Vermögenssteuer und Erhebung von Abgaben auf sehr hohe Privatvermögen. Aber die von Larchers, Müllers und Erlers gaben sich schließlich zufrieden damit, dass die Bundesregierung einen „Reichtumsbericht“ verfassen soll. Der Bericht soll, so sagte der SPD-Fraktionsvize im Bundestag, Gernot Erler, Transparenz darüber bringen, „in welchen Händen sich eigentlich die ökonomische und damit politische Macht oftmals konzentriert“. Es blieb offen, wann das Arbeitsministerium, der die Untersuchung vornehmen soll, den Reichtumsbericht vorlegen wird.

Die Jungsozialisten lieferten die Daten über den Reichtum in Deutschland schon gestern: 12,5 Billionen Mark, das sind 12.500 Milliarden Mark, sind in der Bundesrepublik steuerfrei. Allein das Geldvermögen in privaten Händen stieg zwischen 1996 und 1998 um eine Billion Mark an. Ein Prozent der bundesdeutschen Bevölkerung verfügt über eine Viertel des Geldvermögens.

Die Jusos waren es auch, die ihre Mutterpartei davor warnten, sich auf ihre Rolle als Regierungspartei zu beschränken. „Wir wollten als SPD aufpassen, dass uns nicht die Füße einschlafen“, rief die ehemalige Vorsitzende der Jungsozialisten, Andrea Nahles. Die junge SPD-Vorstandsfrau warb für das 30-Milliarden-Sparpaket der Regierung, das zu großen Teilen von den Rentnern erwirtschaftet wird – und verlangte, dass es erweitert wird. „Das Sparpaket ist nicht ausreichend, was das Geldvermögen anlangt“, sagte Nahles. Ihre Juso-Freunde beantragten, dass die Partei nach der Vorlage des Reichtumsberichts der Regierung erneut über eine Vermögenssteuer nachdenke.