■ Der Konflikt zwischen Montenegro und Serbien spitzt sich zu: Klare Kampfansage
Dass in Montenegro, dem nach Serbien zweiten Bundesstaat der Bundesrepublik Jugoslawien, die Nerven blank liegen, zeigen viele Zwischenfälle der letzten Wochen – zuletzt die kurzzeitige Übernahme des Flughafens der Hauptstadt Podgorica durch die jugoslawische Armee. Die montenegrinische Führung unter Milo Djukanovic versucht zwar Schritt um Schritt, ihren politischen Spielraum gegenüber dem Miloševic-Regime zu erweitern, ja sogar die Unabhängigkeit Montenegros zu erreichen. Sie will raus aus dem gemeinsamen Boot, sie will nicht mehr für die Politik Belgrads verantwortlich sein. Doch Miloševic arbeitet mit vielen Mitteln daran, gerade diese Loslösung zu verhindern.
Schon vor Monaten, als Djukanovic die Grenzen gegenüber Kroatien und Bosnien öffnete, standen sich bewaffnete Kräfte beider Seiten gegenüber. Die Grenzen nach Kroatien blieben offen, zwischen Montenegro und Serbien dagegen wurden Grenzhäuschen eingerichtet. Die Einführung der D-Mark durch Djukanovic war eine klare Kampfansage, selbst wenn man weiß, dass die deutsche Währung das wichtigste Zahlungsmittel selbst in Belgrad ist. Mit den Vorfällen am Flughafen von Podgorica könnte der Fehdehandschuh erneut aufgefangen werden. Die Aktion stellt einen Schuss vor den Bug des aufmüpfigen Djukanovic dar.
Ob der Konflikt, wie in Montenegro selbst, aber auch in den Nachbarländern vermutet, in einem offenen Krieg münden wird, ist noch nicht sicher. Die Gefahr ist sicherlich gegeben. Da die internationalen Proteste lau bleiben, könnte Miloševic bald zur Offensive übergehen und zu „schärferen“ Mitteln greifen. Wenn er aus innenpolitischen Gründen auch keinen direkten Waffengang mit den „montenegrinischen Brüdern“ wagen will (die Armee will nicht gegen das Brudervolk kämpfen), so könnte er doch Gewalt in den Siedlungsgebieten der Muslime des Sandžak im Norden des Landes und denen der Albaner an der Grenze zu Kosovo und Albanien anwenden – mit allen schon bekannten Konsequenzen der ethnischen Säuberungen. Die Küste ist ohnehin in der Hand der Armee.
Wäre die montenegrinische Polizei bereit, die Minderheiten in Montenegro mit Waffengewalt gegen serbische Einheiten zu verteidigen? Unterstützung aus dem Westen ist nicht in Sicht. Am liebsten würde Djukanovic Nato-Truppen in das Land rufen. Die kommen aber nicht. Die nächste Katastrophe ist schon programmiert. Erich Rathfelder
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