: Montenegro entgeht bewaffnetem Konflikt
Die jugoslawische Armee besetzt vorübergehend den Flughafen von Podgorica. Die Regierung der Teilrepublik wollte die Kontrolle des Airports selbst übernehmen. Sie setzt Zeichen ihrer Souveränität ■ Aus Belgrad Andrej Ivanji
Eine bewaffnete Auseinandersetzung zwischen Serbien und Montenegro ist gestern knapp vermieden worden. Am morgen war der Flughafen der montenegrinischen Hauptstadt Podgorica nach einer vorübergehenden Besetzung durch jugoslawische Soldaten wieder geöffnet.
Am Vorabend war eine Armeeeinheit auf dem Flughafengelände aufmarschiert. Die montenegrinische Polizei habe den Flughafen zu verlassen, brüllte ein Offizier, die Armee übernehme ab sofort das Kommando.
Die montenegrinischen Polizisten ließen sich jedoch nicht einschüchtern. Der Flughafen wurde gesperrt. Beide Seiten holten Verstärkung. Laut Augenzeugenberichten standen sich in Kürze die in Tarnanzüge gekleideten, schwer bewaffneten Soldaten und Polizisten gegenüber. Glücklicherweise konnten hohe Beamte des montenegrinischen Innenministeriums und Stabsoffiziere der in Montenegro stationierten II. Armee rechtzeitig die Krise überwinden. Die Soldaten zogen sich zurück, alle konnten noch einmal aufatmen.
Der Flughafen von Podgorica wird seit je auch von der jugoslawischen Luftwaffe benutzt. Nun wollte aber die montenegrinische Polizei, die seit Monaten im Eiltempo auch mit schweren Waffen aufrüstet, einen eigenen Hangar für ihre Hubschrauber bauen, was die Armee angeblich als eine Provokation empfand.
Im Hintergrund des Konflikts stehen nach Informationen aus Podgorica jedoch die ungeregelten Eigentumsrechte an den montenegrinische Flughäfen in Podgorica und Tivat. Die jugoslawische Fluggesellschaft JAT beharrt darauf, dass die beiden Airports ihr Besitz seien, zumal derzeit wegen des Wirtschaftsembargos gegen Jugoslawien Auslandflüge nur aus Montenegro möglich sind. Gestern wollte die montenegrinische Regierung einen Beschluss über die Übernahme der Flugplätze fassen. Wie es heißt, wurde die Sitzung wegen der angespannten Situation verschoben.
Montenegro setzt langsam, aber sicher neue Zeichen seiner Souveränität. Es hat gegen den Willen der jugoslawischen Bundesregierung die Deutsche Mark als Parallelwährung eingeführt und die Grenze zu Kroatien geöffnet. Montenegro zahlt keine jugoslawischen Zollgebühren, ist teilweise von dem Embargo ausgenommen, will nun eben auch die Kontrolle über die Flugplätze auf seinem Territorium übernehmen. Man geht davon aus, dass die montenegrinische Regierung im Frühjahr ein Referendum über die Unabhängigkeit durchführen wird.
Der offizielle Austritt Montenegros aus der Föderation mit Serbien wäre der bisher stärkste Schlag gegen das Machtsystem des jugoslawischen Präsidenten, Slobodan Miloševic. Politische Beobachter sind sich einig, dass Miloševic versuchen würde, die Sezession Montenegros mit allen Mitteln zu verhindern.
Kürzlich warnte der ehemalige jugoslawische Generalstabschef, Momcilo Perišic, davor, dass die Armee zwar in Montenegro auch dann nicht eingreifen würde, wenn sich die jetzige Teilrepublik Jugoslawiens von Serbien abspalten will. Für diesen Fall würden aber „paramilitärische Einheiten“ innerhalb der Militärpolizei in den Kasernen im Norden Montenegros ausgebildet. Dort sind die montenegrinischen Anhänger Miloševic' konzentriert. Im Falle einer Unabhängigkeitserklärung hat die montenegrinische Regierung zu befürchten, dass sich die nördlichen Gemeinden Serbien angliedern würden.
Seit Jahren lastet auf der jugoslawischen Föderation die Frage, ob Montenegro die Unabhängigkeit ausruft, und wie Belgrad darauf reagiert. Nur das Gleichgewicht der Angst erhält immer noch den Status quo. Doch diese Situation, in der Belgrad die die Unabhängigkeit anstrebende montenegrinische Regierung nicht anerkennt, und Podgorica jegliche Beschlüsse der jugoslawischen Bundesregierung ignoriert, ist auf die Dauer unhaltbar.
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