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Raucher müssen draußen bleiben

Das Deutsche Herzentrum in Wedding will die erste rauchfreie Klinik Deutschlands werden. Während die Initiatoren mit Äpfeln und Nikotinersatz für Entwöhung werben, kritisieren Mitarbeiter die „Zwangsmaßnahmen“    ■ Von Markus Wierz

Der Empfang im Deutschen Herzzentrum in Wedding ist ebenso richtungsweisend wie der Kippenberg im Großaschenbecher draußen vor dem Hauptportal. „Rauchen? Dies ist eine Herzklinik. Hier wird nicht geraucht!“, mahnt die Pförtnerin den Besucher. In einem Pilotprojekt will sich das renommierte Herzzentrum zur „ersten rauchfreien Klinik Deutschlands“ deklarieren. Ab Ende Januar gilt im gesamten Haus ein totales Rauchverbot. Die Klinikleitung setzt dabei auf die Einsichtigkeit der Betroffenen und den Erfolg eines Entwöhnungsprogramms.

Doch ganz ohne Zwang wird sich das Krankenhaus nicht zur „rauchfreien Zone“ umwandeln lassen. Mitten in der Intensivstation, die Besucher nur in Spezialkleidung betreten dürfen, ist die Luft zum Schneiden dick: Hinter einer Schiebetür machen Veronika Siegelberg und Elke Schöpf hastige Lungenzüge. „Noch dürfen wir“, sagen die beiden Pflegerinnen, die sich hier für zwei Zigarettenlängen vom Klinikstress abschotten.

„Die meisten Ärzte rauchen hier“, sagt Siegelberg. Vor Dienstbeginn gebe es in dem Raum nicht mal Stehplätze. Herzinfarktpatienten, erzählt sie, hätte sie schon an der Currywurstbude mit der „Fluppe in der Hand“ gesehen. Und Angehörige, die sich hier gemeinsam mit dem Priester eine anstecken, während ihre Verwandten im Sterben liegen.

Nun sollen solche Raucherräume ebenso verschwinden wie die Schwaden in den Treppenhäusern. „Wer bis zum 31. Januar nicht aufhören kann, der raucht eben draußen im Hof“, sagt Thomas Höhn, Verwaltungsdirektor der Klinik. Mitarbeitern, die danach im Haus mit einem Glimmstängel erwischt würden, drohen eine Abmahnung und im Wiederholungsfall personelle Konsequenzen, so Höhn.

Oberarzt Andreas Mappes, einer der Initiatoren des Projekts und selbst seit fünf Jahren Nichtraucher, setzt lieber auf die suggestive Wirkung grüner Äpfel. Die will er suchtgeplagten Kollegen beim Griff zur Kippe in die Hand drücken. Gemeinsam mit einem Expertenteam will Mappes zunächst die Belegschaft, ab Mitte 2000 auch Patienten und Angehörige von ihrer Sucht befreien. Besonders vielverprechend seien Akupunkturbehandlungen sowie eine Kombination aus Gesprächsrunden mit Nikotinpflastern und -kaugummis. Noch aber raucht ein Drittel der 1.200 Klinik-Mitarbeiter. Schon jetzt übersteigt die Nachfrage das Therapieangebot.

„Wissenschaftliche Untersuchungen haben gezeigt, dass Rauchen die größte vermeidbare Krankheit weltweit darstellt“, berichtet Mappes. „Allein in Deutschland sterben jedes Jahr mehr Menschen durch das Rauchen als an Aids, Autounfällen, Mord, Selbstmord und illegalen Drogen zusammen.“ Gerade für eine Herzklinik sei es daher höchste Zeit, im Kampf gegen das Nikotin ein Zeichen zu setzen.

Die Initiatoren sehen zwar die Mehrheit der Mitarbeiter samt Betriebsrat hinter sich. Doch hinter vorgehaltener Hand macht sich der Ärger über die „Zwangsmaßnahmen“ breit. „Ich rauche gerne“ und andere trotzige Slogans haben Unbekannte auf jene Aushänge gekritzelt, mit denen die Klinik derzeit für ihr Projekt wirbt.

Unter den Patienten, für die ohnehin seit Jahren ein strenges Rauchverbot gilt, stößt das Projekt hingegen auf Zustimmung. „Mich überrascht, dass nicht längst in jedem Krankenhaus das Rauchen verboten ist“, sagt Karl-Heinz Blumenstein (61) und erntet in der Wartezone der Transplantationsambulanz zustimmendes Nicken.

Auch die Pflegerinnen Elke Schöpf und Veronika Siegelberg, seit 20 Jahren Raucherinnen, wollen runter vom Nikotin. In den nächsten Tagen wollen sie sich zur Akupunktur anmelden und sich mit Nikotinpflastern eindecken. Während sich Veronika Siegelberg jedoch über den von oben verordneten Zwang ärgert, gesteht Elke Schöpf: „Ich brauche den Druck, um aufzuhören. Allein schaffe ich es bestimmt nicht.“

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