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Skandal um Hertie-Stiftungen weitet sich aus

■ Staatsanwaltschaft Frankfurt durchsucht hessisches Finanzministerium: Verdacht der Untreue durch hochrangige Mitarbeiter. Ursache sind die Steuersparmodelle der Stiftungen

Bochum (taz) – Die Ermittlungen um die Hertie-Stiftungen ziehen immer weitere Kreise. Jetzt hat die Staatsanwaltschaft Frankfurt Diensträume des hessischen Finanzministeriums durchsucht. Wie gestern bekannt wurde, beschlagnahmte die Staatsanwaltschaft bereits am Donnerstag Akten im Zusammenhang mit der Steueraffäre um zwei Stiftungen. Nach eigenen Angaben ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen namentlich nicht genannte Mitarbeiter des Ministeriums wegen des Verdachts der Untreue.

Wie die taz berichtete, werden die beiden Hertie-Stiftungen in der Anzeige verdächtigt, Steuern in dreistelliger Millionenhöhe hinterzogen zu haben.

In die gemeinnützige Hertie-Stiftung flossen die Milliarden aus dem Verkauf desEinzelhandelskonzerns Hertie durch die Familie des ehemaligen Eigentümers Georg Karg. Diese Stiftung wiederum hat der Hertie-Familienstiftung 1,8 Milliarden geliehen. Die nicht gemeinnützige Familienstiftung legte die hohe Summe an, hat jedoch laut einer der taz vorliegenden internen Finanzaufstellung über Jahre hinweg keine Gewinnsteuern gezahlt. Auch die Ausschüttungen an die gemeinnützige Stiftung fielen äußerst mager aus.

Gegen hochrangige Stiftungsmanager laufen Ermittlungen. Daneben wurden Verfilzungen der Stiftung mit der hessischen Landespolitik von der taz offengelegt. Personen in der Stiftungsaufsicht und mit der Kontrolle im engeren und weiteren Sinn befasste Politiker waren auch in Vereinen tätig, die Spenden von der Hertie-Stiftung erhalten haben. Diese Verflechtungen sind jetzt Hintergrund der Durchsuchungen im hessischen Finanzministerium.

Aus informierten Kreisen wird berichtet, dass zur Zeit gegen hochrangige Personen im Ministerium ermittelt wird. Außerdem werde geprüft, ob die betroffenen Mitarbeiter auf Weisung „von oben“, sprich: auf Ministerweisung gehandelt hätten.

Bereits Mitte September hatte der haushaltspolitische Sprecher der Grünen-Landtagsfraktion Alexander Müller vom Finanzministerium Aufklärung vom Finanzministerium gefordert. Eine Antwort sollte Anfang November erfolgen. Doch bis heute blieb diese trotz Nachfragen Müllers aus. Offiziell wurde die Antwort an das hessische Innenministerium weitergeleitet, sagt eine Sprecherin. „Dieses muss noch einige Fragen beantworten.“ Doch auch im Innenministerium tut man sich mit den Antworten schwer. Ein Sprecher bestätigt, dass die Verantwortung für die Verzögerung beim Innenministerium läge. Allerdings warte man noch selbst auf eine Antwort von der Stiftungsaufsicht der Stadt Frankfurt. Hinter vorgehaltener Hand ist von „Abstimmungsproblemen zwischen den Verantwortlichen“ in Wiesbaden und Frankfurt die Rede.

Die Hertie-Affäre belastet auch die im Bundestag diskutierte Reform des Stiftungsrechts. So bedauert der Geschäftsführer des Bundesverbands Deutscher Stiftungen Christoph Mecking, dass „Hertie ein schlechtes Beispiel für eine Stiftung gerade in Zeiten der Reform des Stiftungsrechtes abgibt“. Auch Antje Vollmer, treibende Kraft bei den Grünen für die Stiftungsreform, zeigt sich bestürzt über die Vorgänge bei der Hertie-Stiftung: „Dies ist einer der Gründe, warum wir die Stiftungsreform wollen.“ Mit dem neuen Recht wäre ein solcher Missbrauch nicht möglich gewesen, sagte Vollmer. David Schraven

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