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Die grüne Lust zur Drohgebärde

■ Auch die Bündnisgrünen luden zum Parteitag. Statt mit der Frage der Neuorientierung befassen sich die Delegierten aber lieber mit radikalen Beschlüssen zum Atomausstieg und zur Panzerfrage

Eine eigenartige Lethargie liegt über dem Parteitag der Grünen. Was bringt es schon, wenn sich der Berliner Landesverband gegen Panzerlieferungen in die Türkei ausspricht? Oder einen radikalen Beschluss zum Atomausstieg fasst? Nicht viel. Nach fünf Redebeiträgen zur Atomfrage ist der Diskussionsbedarf bereits gedeckt. Der Parteitag endet vier Stunden früher als geplant. Erschienen waren ohnehin nur zwei Drittel der Delegierten. Was ist nur mit den Grünen los?

Drei Monate nach der Abgeordnetenhauswahl hat sich die Partei noch nicht von ihrer Wahlschlappe erholt. Ein Viertel der Wähler kam abhanden, geblieben sind mickrige 9,9 Prozent der Stimmen. Wie soll es nun weitergehen? Mit welchen Strategien gehen die Grünen in weitere fünf Jahre Opposition? Wie will die Partei wieder attraktiv werden für Jugendliche? Wie soll es im Ostteil der Stadt weitergehen, wo die Grünen zum Teil aus den Bezirksverordnetenversammlungen geflogen sind. Diese drängenden Fragen werden beim Parteitag nicht erörtert. Wieso bloß?

Schlüssige Antworten auf diese Fragen oder gar ein Konzept gibt es noch nicht. Es herrscht eine gewisse Ratlosigkeit. „Lieber gar nicht drüber reden“, meint eine Delegierte. „Wir sind alle ein bisschen schlapp. Wenn man zehn Jahre strampelt und es verändert sich politisch nichts, macht das müde.“

Auch eine andere Delegierte fragt sich, wie man wieder Schwung in die Partei bekomme. Die Grünen müssten sich wieder mehr in der außerparlamentarische Arbeit engagieren. „Back to the roots.“ Da kann die Abgeordnete Jeannette Martins aus Prenzlauer Berg nur lachen. Genau das hat sie bereits in den letzten vier Jahren getan und wurde dafür belächelt. Jetzt ist „Kontakthalten zur Basis“ zur obersten Maxime erklärt worden.

Es hätte ein Parteitag der Sammlung werden können, eine gemeinsame Orientierungssuche, die zumindest einen kleinen Motivationsschub auslöst. Doch keine Spur davon. Stattdessen Beschlüsse, die die Welt nicht verändern werden. Beim Atomausstieg entscheidet sich eine deutliche Mehrheit für die radikale Forderung: Reaktoren sollen nach 25 Jahren Laufzeit abgeschaltet werden! Vergeblich hatte der Landesvorstand um die Formulierung „deutlich unter 30 Jahren“ geworben, um den grünen Ministern den nötigen Verhandlungsspielraum zu lassen. Geblieben ist den Bündnisgrünen nur die Lust an der Drohgebärde: Falls in einem Jahr Panzer an die Türkei geliefert werden sollten, fordert der Berliner Landesverband den Bruch der Koalition. „Wenn wir gleich zu dieser Keule greifen, strahlt das kein Selbstvertrauen aus, dass wir in der Regierung etwas durchsetzen können“, verhallt die Mahnung des „Realo“ Thomas Birk ungehört.

So gibt es lediglich ein konkretes Ergebnis dieses Parteitags: Die Abgeordnete Jeannette Martins hatte zu einer Spendensammlung für den Steinmetz aufgerufen, der kostenlos zerstörte jüdische Grabsteine restauriert und dessen Grabsteinlager deshalb kurz und klein geschlagen wurde. Immerhin 1.600 Mark sind zusammengekommen. Dorothee Winden

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