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NRW-SPD spielt Kohl: Die Flug-Affäre ist keine

Schaut Ministerpräsident Clement sich schon nach einem neuen Finanzminister um?  ■   Aus Düsseldorf Pascal Beucker

Den parteiinternen Wahlkampfauftakt hatte sich SPD-Ministerpräsident Wolfgang Clement anders vorgestellt. „Richtung Zukunft“ hatte die nordrhein-westfälische SPD ihre Konferenz am Samstag in den Düsseldorfer Rheinterrassen überschrieben. Doch zur Zeit muss sich Clement mehr mit der Vergangenheit als der Zukunft befassen.

Pünktlich zum Beginn der Versammlung erreichten ihn Vorabmeldungen von Spiegel und Focus. Die Magazine berichten über weitere angebliche Privatflüge seines Amtsvorgängers Johannes Rau und des NRW-Finanzministers Heinz Schleußer mit dem Flugservice und auf Kosten der Westdeutschen Landesbank (WestLB). Rau soll u. a.mit einem WestLB-Charterjet zu Wahlkampfauftritten nach Rheinland-Pfalz geflogen sein. Falls die Berichte stimmen, hätte Clement am Freitag im Landtag gelogen. Dort hatte er ausgeschlossen, dass es neben den zwei bekannten Schleußer-Trips an die kroatische Adria noch weitere privat veranlasste Flüge von NRW-Regierungsmitgliedern mit der Landesbank-Flugbereitschaft gegeben hat.

Es ist bitter für die Genossen an Rhein und Ruhr: Anstatt die CDU-Spenden-Affäre um Helmut Kohl genüsslich auskosten zu können, sehen sie sich seit zwei Wochen mit einer Affäre konfrontiert, die ihres Erachtens keine ist. Die Einrichtung eines Untersuchungsausschusses im Landtag wird immer wahrscheinlicher. Am heutigen Montag wird die CDU-Fraktion darüber entscheiden, ihr Vorsitzender Laurenz Meyer hält ihn inzwischen für „unausweichlich“. Damit bliebe der Union das Wahlkampfthema „Flug-Affäre“ bis zur Landtagswahl im Mai erhalten. Die neuen Vorwürfe kommentierte Clement nur am Rande der Veranstaltung: Sie seien allesamt „absurd“.

Vehement dementierte der Ministerpräsident einen Bericht der Welt, nachdem er bereits mit der ehemaligen Berliner Finanzsenatorin Annette Fugmann-Heesing (SPD) Gespräche über eine mögliche Schleußer-Nachfolge geführt habe. Schleußer, der als einziger SPD-Landesminister in Düsseldorf fehlte, sei „eine ehrliche Haut“, so Clement, und habe sein „volles Vertrauen“. Weder er noch SPD-Landeschef und -Bundesgeschäftsführer Franz Müntefering erwähnten das heikle Thema „Flug-Affäre“ in ihren Redebeiträgen. Die Basis beklatschte Clement frenetisch – und verzichtete ihrerseits auf jede despektierliche Frage nach der „Flug-Affäre“. Nur auf den Fluren und Gängen war die eine oder andere besorgte Bemerkung zu hören.

Schleußer hat alle gegen ihn erhobenen Vorwürfe in einer schriftlichen Stellungnahme zurückgewiesen. Der Focus-Bericht stütze sich „in wesentlichen Teilen auf Aufzeichnungen eines inhaftierten Straftäters“, so Schleußer. Gemeint ist einer der Piloten der Düsseldorfer Flugfirma Privat-Jet-Charta (PJC), mit der die WestLB bis Ende 1996 einen Flugbereitschaftsvertrag hatte. Der Pilot sitzt zur Zeit wegen Drogenschmuggels für zehn Jahre im Gefängnis. Aus Kreisen der Landesregierung heißt es nach Angaben des Kölner Express, dass der Mann Flüge, die Schleußer und Rau absagten, trotzdem geflogen und zum Kokainschmuggel genutzt haben soll. Sie seien nachher bei der WestLB als Politikerflüge abgerechnet worden. Seine gefälschten Pilotenbücher böte der abgestürzte Luftschiffer nun vom Knast aus zu guten Preisen auf dem Medienmarkt an.

Fragen bleiben trotzdem: Wenn denn tatsächlich die WestLB die Flüge von Rau und Schleußer ordentlich zu Lasten des Landes verrechnet hat, wie die Landesregierung behauptet, warum sind dann die gefälschten Politikerflüge bis heute niemanden aufgefallen?

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